Zum Tag der Umbaukultur sprachen wir mit Holger Schwannecke, Generalsekretär des Zentralverband des Deutschen Handwerks e. V.
Frage: Wie wird die Entwicklung hin zu mehr Umbaukultur im Handwerk wahrgenommen?
Holger Schwannecke: Positiv. Die im Zuge des Baukulturberichts 2022/2023 durchgeführte Umfrage hat gezeigt: 78% der Handwerksunternehmen arbeiten lieber im Umbau und in der Sanierung als im Neubau, 71% generieren dort die meisten Umsätze. Umbau ist eine Herzensangelegenheit im Handwerk, weil dort die handwerklichen Kernkompetenzen gefragt sind: Es geht etwa darum, die eigene Restaurierungs- und Gestaltungskompetenz einzubringen, individuelle Lösungen zu finden oder innovativ zu werden. 85 % der Handwerksbetriebe sehen Umbau in den kommenden zehn Jahren als das relevante Thema.
Frage: Sanierung und Weiterentwicklung des Bestands erfordern häufig individuelle, passgenaue Lösungen. Eröffnen sich dadurch neue Chancen für das Handwerk? Wenn ja, woran machen Sie das konkret fest?
Holger Schwannecke: Individuelle Lösungen sowie Innovationen zu entwickeln, sind Markenzeichen des Handwerks. Diese Fertigkeiten werden seit jeher in der handwerklichen Berufsbildung gefördert und verfeinert. Und auch mit neuen Fortbildungsabschlüssen wird dem gesellschaftlichen Trend zur Bestandserhaltung Rechnung getragen: Wichtigstes Beispiel ist die Fortbildung zum Master Professional für Restaurierung im Handwerk, die seit 2020 bundeseinheitlich in Kraft ist. Hier werden die für den Bestandserhalt notwendigen Fertigkeiten, das Wissen und Können auf allerhöchstem fachlichem Niveau vermittelt, das sich auf Augenhöhe mit dem universitären Master befindet. Die Absolventinnen und Absolventen sind Expertinnen und Experten für den Erhalt von materiellem wie immateriellem Kulturerbe, indem sie zusätzlich Materialwissen und Kulturtechniken pflegen, anwenden und weiterentwickeln.
Frage: Was ist aus Ihrer Sicht noch zu tun, damit der Paradigmenwechsel hin zu einer neuen Umbaukultur gelingt. Welche Hürden gibt es noch zu nehmen?
Holger Schwannecke: Wir wissen bereits, dass Handwerk glücklich macht: Rund 87 % aller Handwerkerinnen und Handwerker sind stolz auf ihre berufliche Tätigkeit, weil sie ihren Beruf als sinnhaft wahrnehmen. Und gerade die herausragende Rolle des Handwerks in der Zukunftsbranche Bau – in der rund die Hälfte aller Beschäftigten im Handwerk arbeitet – zeigt, wie wichtig es ist, dass dieses positive Bild sinnhafter und qualitativ hochwertiger Arbeit auch in der Öffentlichkeit noch stärker wahrgenommen wird. Sowohl auf der Baustelle wie auch in der Jugendansprache muss daher die hohe fachliche Expertise des Handwerks sichtbarer werden. Dafür müssen wir frühzeitig ansetzen und durch eine Bildungswende hin zu echter Gleichwertigkeit von beruflicher und akademischer Bildung in den Schulen, in der Öffentlichkeit und auch im Gesetzesrahmen klarmachen, dass berufliche und akademische Bildung von absolut gleichem Wert sind.