„Mobilität und Raum“ – Baukultwerkstatt in Dresden | Nachbericht

© Kristin Baumert

Seit Jahrzehnten wird eine Mobilitätswende gefordert und erwartet: Verkehr soll umweltfreundlicher, nachhaltiger und integrativer werden. Gelingen mag die Verkehrswende vielerorts aber noch nicht. Damit sie gelingen kann, müssen alternative Verkehrsarten zum motorisierten und emissionsreichen Individualverkehr ausgebaut und miteinander verknüpft werden. Und – was ebenfalls häufig in der Diskussion um Car-Sharing, Schienenausbau, Lieferverkehre und Mobility-Hubs vernachlässigt wird: Mobilität findet immer in einem räumlichen Kontext statt. Damit hat die Organisation der Mobilität große Auswirkung auf die Gestaltung der gebauten Umwelt. Jahrzehntelang stand das Auto im Zentrum von Bauen und Planen. Aus dem Erbe der autogerechten Stadt können Schlüsse gezogen werden, welche Gefahren darin liegen, ein Verkehrssystem und nicht den Menschen in den Mittelpunkt unserer Planungen zu stellen.

Welche Wechselbeziehungen zwischen Mobilität und Raum bestehen und wie die Gestaltung unserer Infrastruktur und ihrer Bauwerke als baukulturelle Aufgabe verstanden werden kann, diskutierten wir am 16. und 17. Oktober 2023 während der Baukulturwerkstatt „Mobilität und Raum“ der Bundesstiftung Baukultur im Verkehrsmuseum Dresden. In Impulsvorträgen wurden Lösungsansätze und wegweisende Projekte vorgestellt und an Werkstatttischen gemeinsam besprochen. Die gesammelten Ergebnisse fließen in den kommenden Baukulturbericht 2024/25, der zum Thema „Infrastruktur“ erscheint, ein.

Verkehr, Mobilität, Entwerfen

Den Auftakt der Baukulturwerkstatt bildete eine Führung von Co-Kuratorin Nicole Auerswald durch die Sonderausstellung „MOVE! Verkehr macht Stadt“ des Verkehrsmuseums Dresden. Ausgehend von den tiefgreifenden Veränderungen im Verkehrssektor seit der Industrialisierung, greift die Ausstellung Fragen zur Organisation und Gestaltung des Verkehrs auf.  

Anschließend stellte Axel Wittkuhn vom Amt für Stadtplanung und Mobilität Dresden den Prozess zur Erarbeitung des Mobilitätsplan 2035+ vor. Die Erstellung und die Kommunikation wird als gemeinschaftliches Format mit den Bürgerinnen, Bürgern und Vereinen innerhalb der Stadtgesellschaft verstanden. Konrad Rothfuchs vom Hamburger Planungsbüro Argus lieferte einen Impuls zu Mobilitätskultur und Raumqualität. Darin zeigte er, wie sich mit Fragen der Verteilung des Stadt- und Straßenraums umgehen lässt. Inwiefern der Einsatz neuer, nachhaltiger Baustoffe und Konstruktionsformen einen gestalterischen Mehrwert bieten kann, erläuterte Lucio Blandini vom Institut für Leichtbau, Entwerfen und Konstruieren der Universität Stuttgart in seiner Keynote. Hier wurde der hohe Stellenwert von Innovationen im Bauwesen nachvollziehbar.

Der zweite Tag stand ganz im Zeichen des Austauschs. Auf Grundlage inhaltlicher Einführungsvorträge wurden an drei Werkstatttischen die aufgeworfenen Fragen und Anregungen zur Mobilität mit den Teilnehmerinnen und Teilnehmern diskutiert.

Werkstatttisch eins: Auswirkung der Mobilität auf den Raum

Geänderte Mobilitätsbedürfnisse standen im Zentrum des ersten Werkstatttischs. Wenn Menschen auf umweltfreundliche Mobilitätsformen umsteigen sollen, welche Auswirkungen hat dies auf Stadt und Verkehrsräume? Anhand des Masterplans von Hamburgs Magistralen wurde das Leitbild zum Umbau von Einfallstraßen beleuchtet. Reine Verkehrsorte werden den Bedürfnissen der Bewohnerinnen und Bewohner nicht gerecht. Die Ergänzung durch blaugrüne Strukturen und gut vernetzten Umsteigeorten kann lebendige Stadträume schaffen. Eine fahrrad- und fußgängergerechte Stadtentwicklung wurde anhand der Planungen in der Karlsruher Innenstadt diskutiert. Unter dem Motto „Platz für mehr“ sollen hier lebendige Stadt- und Verkehrsräume entstehen, deren Wirkung in die Region ausstrahlt.

Inhaltliche Impulsgeberinnen und Tischpatinnen waren Britta Schümmer von Astoc Architects und Planners sowie Heike Dederer vom Stadtplanungsamt Karlsruhe.

Werkstatttisch zwei: Infrastruktur schaffen

Die Verknüpfung von Mobilitätsangeboten mit baulichen Qualitäten war Thema des zweiten Werkstattischs. Infrastrukturen müssen ästhetisch, funktional und ökologisch gut gestaltet werden. Mobilitätshubs können eine Anlaufstelle sein und Verkehrsträger sowie weitere Nutzungen bündeln. Unterschiedliche Ansprüche in Stadt und Land sind hierbei einzubeziehen. Eine ergebnisorientierte Zusammenarbeit zwischen den Akteuren und Akteurinnen ist entscheidend, um Angebote zu verstetigen – auch über die Zeit einzelner Förderprogramme hinaus.

Impulse dafür gaben und am Tisch diskutierten Christian Scheler vom Hamburger Verkehrsplanungsbüro 1komma2 und Mareike Harlfinger-Düpow von der Mobilitätsagentur Wendland.Elbe.

Werkstatttisch drei: Infrastruktur und Ingenieurbaukunst erhalten und gestalten

Am dritten Werkstatttisch wurde der Frage nachgegangen, inwiefern das vielfältige baukulturelle Erbe im Infrastrukturbereich erhalten und an aktuelle Anforderungen angepasst werden kann – unter Erhalt der goldenen Energie, die in vielen Bauwerken zweifelslos schlummert. Dafür ist eine Steuerung notwendig: Reparatur und Sanierung von Bauwerken müssen priorisiert werden, damit Ersatzneubauten künftig die Ausnahme bleiben. Notwendig sind klare Vorgaben, die sich in der Finanzierung und den Regelwerken widerspiegeln. Der Schwerpunkt muss hierbei bereits in der Ausbildung sowie in Weiterbildungen gesetzt werden, um das Umbauen auch im Infrastrukturbereich großflächig zu verankern.

Impulsgeber und Tischpaten waren Konrad Rothfuchs vom Planungsbüro Argus und Prof. Dr. Steffen Marx vom Institut für Massivbau an der TU Dresden.

Wir danken unserem Veranstaltungspartner, dem Verkehrsmuseum Dresden für den tollen Veranstaltungsort.

Ein herzlicher Dank gilt auch der Architektenkammer Sachsen, dem BDA, der BIngK, der BSVI, dem Zentrum für Baukultur Sachsen, dem BDA Sachsen und der Ingenieurkammer Sachsen für die Unterstützung der Veranstaltung.

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