Interview mit Reiner Nagel zum Baukulturdialog „Perspektiven für das Wendland“

Am 30. und 31. August 2023 war die Bundesstiftung Baukultur zu Gast bei „Ein Ding der Möglichkeit“ in Waddeweitz (Wendland), um gemeinsam mit dem Landkreis Lüchow-Dannenberg den Baukulturdialog „Perspektiven für das Wendland“ zu veranstalten. Circa 200 Gäste lernten spannende Konzepte für neues Wohnen, Arbeiten, Mobilität und Einkaufen auf dem Land und in der Kleinstadt kennen, inspirierende Impulse des Architekten Peter Haimerl (München), Dr. Diana Wiedemann (Bauwerk Schwarzwald) und Roland Gruber (nonconform, Österreich) zeigten weitere mögliche "Perspektiven für das Wendland" auf.

Herr Nagel, was führte die Bundesstiftung Baukultur ganz konkret ins Wendland?

Reiner Nagel: Vor dem Hintergrund des strukturellen Wandels in ländlichen Räumen und am Beispiel der bedeutenden Kulturlandschaft der Rundlingsdörfer im Wendland, beschäftigte sich die Veranstaltung mit der Frage, ob die künftige Entwicklung der Region und die Anpassung an neue Bedürfnisse der Mobilität, des Wohnen und Arbeitens durch Baukultur und Handwerk positive Impulse erhalten können.

Den Slogan „Das Land kommt!“ liest man ja immer wieder in der Presse. Wie kann sich das Wendland künftig entwickeln, das baukulturelle Erbe erhalten und gleichzeitig eine Perspektive für neues Leben in alten Gebäuden entstehen?

Reiner Nagel: Lange unterbewertet rücken Klein- und Mittelstädte und ländliche Räume wieder in das Interesse von Gesellschaft und Politik. Die Bundesstiftung Baukultur sieht seit Jahren gerade auf dem Land große Entwicklungspotentiale. Baukultur ist dabei ein wichtiger Motor. Der Landkreis Lüchow-Dannenberg und das Wendland bieten beides: besondere Herausforderungen und Chancen und gleichzeitig spannende Lösungsansätze auch für den bundesweit notwendigen Transformationsprozess. Spannend und prägend für das Wendland ist natürlich die regionale Baukultur, auch der angestrebte Welterbestatus für die Rundlingsdörfer ist ein Attraktivitätsfaktor aus dem sich auch neue Jobperspektiven entwickeln können.
Um langfristig junge Familien und andere, neue Bewohnergruppen vom Wendland zu überzeugen, muss das Thema bezahlbarer Wohnraum im Bestand angegangen werden. Tolle Ansätze hierzu sind bereits vorhanden, wie die Genossenschaften „WendLandWohnen“, „HitzackerDorf“ oder auch „Das Ding der Möglichkeit“ zeigen. Diese Projekte beweisen auch, dass das Wendland von Initiativen und Initiative seiner alteingesessenen und neuen Bewohner getragen wird.

„Ländliche Räume brauchen Urbanität“ war eine der Forderungen von Prof. Dr. Rainer Danielzyk (Akademie für Raumentwicklung in der Leibniz-Gemeinschaft (ARL) / Leibniz Universität Hannover). Dies beinhaltet u.a. die Schaffung neuer VersorgungsInfrastrukturen wie z.B. Läden und einen Ausbau des ÖPNVs bzw. alternativer Mobilitätskonzepte wie Mitfahrbänken. Wie stehen Sie der Forderung von Prof. Danielzyk gegenüber?

Reiner Nagel: Der Ausbau der Infrastrukturen ist ein wichtiges Thema – ganz gleich ob es sich um technische, soziale oder Wohn-Infrastruktur handelt. Lokale Akteure wie beispielsweise Claas Spitz vom Einzelhändler Huth+Fricke in Lüchow zeigen, dass sich persönliches Engagement auszahlt – persönlich und für den ganzen Ort. Andere Konzepte wie z.B. der in der Diskussion genannte „Tante Enso“-Laden eignen sich super für kleinere Orte, bieten ein angepasstes Sortiment und sorgen neben der Nahversorgung auch dafür, dass es weiterhin einen Treffpunkt im Dorf gibt.

Peter Haimerl stellte in seinem Impulsvortrag „Aus dem Denkmal etwas machen“ einen Wirkungszusammenhang zwischen Architektur und Schönheit her – wie kann man das für einen Ort / eine Region nutzen? Welche Rolle spielt der Denkmalschutz im Wendland?

Reiner Nagel:
Architektur und Schönheit schaffen Identität und Standorte. Bei unserer Veranstaltung sorgen insbesondere die Fördermöglichkeiten und der Denkmalschutz für angeregte Diskussionen. An den Vortrag von Peter Haimerl kann jetzt vor Ort angeknüpft werden, um die regionale Baukultur der Rundlingsdörfer in die Zukunft zu führen.Kerstin Duncker von der unteren Denkmalschutzbehörde stellte in Ihrem Impuls die „Baukultur im Wendland“ vor und sorgt vor Ort dafür, dass das Erbe der Rundlingsdörfer erhalten bleibt. Denkmalschutz ist hier also engagierter Problemlöser.

Der Landkreis Lüchow-Dannenberg war Kooperationspartnerin des Baukulturdialogs und die Landrätin Dagmar Schulz hat die laufenden Arbeiten am Zukunftsentwicklungskonzept für den Landkreis vorgestellt. Wie passen die Ebene der strategischen Planung mit der Baukultur vor Ort zusammen?

Reiner Nagel: Entwicklungsplanung und Baukultur sind zwei Seiten der gleichen Medaille. Ich halte es für sehr weitsichtig das Dagmar Schulz das baukulturelle Erbe und die Kulturlandschaft zum Standortthema macht. Das passt zum Landkreis Lüchow-Danneberg und hilft den Akteuren im Wendland.

Vielen Dank an den Landkreis Lüchow-Dannenberg für die Kooperation und an Kerstin Duncker für die Unterstützung bei der Vorbereitung und Planung der Veranstaltung.

Das Interview führte Teresa Deckert

Den Pressebericht aus der Elbe-Jeetzel-Zeitung finden Sie hier: https://www.ejz.de/lokales/welche-baukulturellen-perspektiven-hat-wendland-id309350.html

Den Mitschnitt des Podiumsgesprächs des ersten Veranstaltungstages finden Sie hier: https://www.youtube.com/watch?v=Z5kKBYgXM6c – Vielen Dank an den Landkreis Lüchow-Dannenberg für die Aufzeichnung!

Fotogalerie 1 – © Foto Resch

Fotogalerie 2 – © Bundesstiftung Baukultur

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