Wahrzeichen und ingenieurtechnische Meisterleistung

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Die eindrucksvollen Fotos des verhüllten L’Arc de Triomphe in Paris waren Mitte September in den Tagesnachrichten sehr präsent. Doch wieso schreiben wir an dieser Stelle darüber? Der an der Umsetzung beteiligte Ingenieur Mike Schlaich sagt über das Projekt, dass diese Verhüllung keine „Standardverhüllung“ sei, „sondern eine richtig große Ingenieur-Aufgabe“.

Der in 25.000m2 recyclebaren Stoff verhüllte L'Arc de Triomphe war vom 18. September bis 3. Oktober 2021 in Paris zu sehen. Unter dem Namen „L'Arc de Triomphe Wrapped“ wurde das letzte Werk des inzwischen verstorbenen Künstlerpaares Christo und Jeanne-Claude umgesetzt. Die Umsetzung kostete 14 Millionen Euro und finanzierte sich durch den Verkauf von Christos Kunstwerken.

Einen Teil der zweijährigen Vorbereitungszeit nahm auch die Prüfung der technischen Umsetzbarkeit sowie die Entwicklung des Tragwerks der Verhüllung ein, welches es ermöglicht, das Gewebe um das berühmte Bauwerk zu führen, ohne seine markante Form zu verdecken. Die Unterkonstruktion besteht aus Stahlfachwerkkonstruktionen am Triumphbogen vor den Statuen, Gesimsen und Ornamenten, Eckstücken und Holzboxen zur Befestigung der vorgespannten Seile sowie aus einem Trägerrost aus Kragträgern, der auf dem Dach montiert wurde, von wo der blau-schimmernde Stoff aus Polypropylen-Gewebe abgehängt wurde. 

Neben dem Tragwerk waren auch die Windkräfte, die auf das riesige, 25.000m2 Stück wirkten, eine große Herausforderung: die Wirkungen dieses „Segels“ auf den Triumphbogen mussten vorab im Windkanal getestet werden. Die Stoffbahnen wurden von mehr als 70 Industriekletterern ausgerollt, zudem sind noch die markanten, roten Seile hinzugekommen, die Paris' Wahrzeichen mit dem Stoff „festzurren“. Dabei sorgt die inzwischen nicht mehr sichtbare Unterkonstruktion für den notwendigen Schutz des Denkmals.

Es war bereits das zweite Mal, dass das Büro schlaich bergermann partner den Künstler Christo bei der Umsetzung eines Kunstwerkes unterstützt hat: erfolgreich zusammengearbeitet hatten die beiden bereits seit 2016 für das Projekt „London Mastaba“ auf dem Serpentine Lake in London.

Dieses Kunstprojekt zeigt deutlich, dass Baukultur genau dann entsteht, wenn Ingenieurbaukunst und Gestaltqualität Hand in Hand gehen. Bauingenieure tragen also nicht nur zur rein technischen Machbarkeit von Infrastrukturen und Gebäuden und der Entwicklung einer zukunftsfähigen Bauweise bei, sondern sind darüber hinaus entscheidende Gestaltgeber für unsere Umwelt und Träger von Baukultur. Es sind in der Regel die Erfahrung, Impulse und Ideen von Ingenieuren, die die gestalterische Lösung für ein Bauwerk erst möglich machen.

In der Bundesstiftung Baukultur befassen wir uns täglich mit aktuellen baukulturellen Fragestellungen: Wie gehen wir mit unserem gebauten Bestand um? Wie können wir Ressourcen schonen? Wie reagieren wir mit der gebauten Umwelt auf gesellschaftliche Anforderungen? Hier sind kluge Lösungen und unkonventionelle Denkweisen gefragt, um für jede Situation eine angemessene Antwort zu finden. Ingenieure und Ingenieurinnen als ausgebildete und ausgewiesene „Problemlöser“ leisten dazu einen wesentlichen Beitrag. Für die Zukunft des Bauwesens ist ihr Engagement und Wissen unabdingbar.

Prof. Dr. Mike Schlaich, Inhaber des Lehrstuhls für „Entwerfen und Konstruieren – Massivbau“ am Institut für Bauingenieurwesen der Technischen Universität Berlin, war im Mai 2021 übrigens auch beim „Studio Baukultur“ zu Gast. Er hielt dort einen Vortrag zu baukultureller Bildung an der TU Berlin. Diesen Vortrag können Sie sich noch hier ansehen.

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