Baukulturwerkstatt in Bielefeld erschließt neue Wege für gelungene Umbaukultur

Wie eine neue Umbaukultur in der Praxis gelingen kann, zeigte die Baukulturwerkstatt in Bielefeld anhand von konkreten Strategien und Exkursionen vor Ort.

Die Werkstatt widmete sich am 28.2. und 1.3.2022 im Detail dem Schwerpunktthema des kommenden Baukulturberichts 2022/23 „Neue Umbaukultur“ und zeigte Ansätze für interdisziplinäres, nachhaltiges Planen und Bauen. 40 Bauschaffende erörterten in Minden, Löhne und Bielefeld vorhabenbezogene Pläne, Strategien und Nutzungsideen für den Bestand und formulierten wichtige Kernthesen für eine neue Umbaukultur. Veranstaltungspartnerin war UrbanLand OstWestfalenLippe, Organisatorin der REGIONALE 2022.

Reiner Nagel, Vorstandsvorsitzender der Bundesstiftung Baukultur, resümiert: “Wir haben die Werkstatt in Ost-Westfalen-Lippe mit dem Begriff „Umdenken“ überschrieben und das ist auch das Ergebnis: Wir müssen für die Herausforderungen des Planen und Bauens in Zeiten von Klimawandel und Ressourcenengpässen umdenken und dem Bestand mehr Geltung verschaffen. Hier liegen die Potentiale für machbares, leistbares und schönes Bauen“.

Am ersten Tag der Baukulturwerkstatt hatten die Teilnehmenden Gelegenheit, Teile der Region Ost-Westfalen Lippe aus baukultureller Perspektive kennenzulernen. Eine Führung unter der Leitung von Lars Bursian (Bauderzernent Stadt Minden) führte durch das Mindener Bahnhofsquartier am Weserufer. Schwerpunkt-Thema dieser ersten Exkursion war die stadtplanerische Vision für das Quartier und der geplante Bau einer Mehrzweckhalle. Bei der Exkursion ging es inhaltlich vor allem um die Transformation und Umnutzung von Bahnhofsliegenschaften und Militärflächen sowie um Fragen des Denkmal- und Hochwasserschutzes.

Das zweite Exkursionsziel waren die Räume des Bürgerbahnhofs Löhne, der sich momentan im Testbetrieb für die örtliche Bücherei befindet und zukünftig als Kultur- und Begegnungsort genutzt werden soll. Über die geplanten Maßnahmen für das historische Gebäude und das angrenzende Werreufer berichteten Christine Harodt (Amtsleiterin für Immobilienwirtschaft Stadt Löhne) sowie der Vorsitzende der im Jahr 2014 gegründeten Initiative „Löhne umsteigen“, Günter Willig. Während einer dritten Exkursion durch das abendliche Bielefeld erläuterte Martin Knabenreich (Geschäftsführer Bielefeld Marketing) die Entstehungs- und Nutzungsgeschichte von sich in Transformation befindlichen, umgenutzten Gebäuden und Plätzen im Stadtzentrum, wie etwa der WissensWerkStadt oder den öffentlichen Räumen an Kesselbrink und Rathausplatz.

Am zweiten Tag der standen in der Hechelei im Bielefelder Park Ravensberg weitere Impulse und Vorträge sowie die Werkstatttische auf dem Programm. Nach einer Begrüßung durch Reiner Nagel und Annette Nothnagel (Leitung REGIONALE 2022) sowie einer Einleitung von Nathalie Hipp (Bundesstiftung Baukultur), gab Marc Köhler (Geschäftsführung, KM architekten bda) Einblicke in das Umbauprojekt Hallenbad Ost in Kassel. Im Stadtteil Bettenhausen erhielt ein im Jahr 1929 im Bauhausstil errichtetes, denkmalgeschütztes Gebäude ein schlüssiges Nutzungskonzept mit Büro- und Praxisflächen und multifunktionalem Veranstaltungsort für die Documenta-Stadt.

In einem zweiten Impuls präsentierte Sven Dodenhoff (Abteilungsleiter, Bauamt Stadt Bielefeld) das Konzept für den Stadtumbau im nördlichen Innenstadtrand. Wesentlicher Teil des Konzepts sind projektorientierte Langzeitstrategien, die der Anpassung von Siedlungsstrukturen an veränderte Nachfrage- und Bedarfsstrukturen Rechnung tragen und gleichzeitig innerstädtische Altbaubestände erhält.

Zur Planungsgeschichte der Berliner Hochschule für Schauspielkunst Ernst Busch referierte Roland Duda (geschäftsführender Gesellschafter, O&O Baukunst). Das Umbauprojekt setzt sich aus drei Teilen zusammen: einem ertüchtigten Altbau, einem holzverkleideten Bühnenturm und einem gläsernen Mensa-Bereich.

Zum Schwerpunkt Förderung setzte Alexander Graf (Amt für Gemeindeentwicklung) einen zentralen Impuls. Das von der Gemeinde Hiddenhausen bereits vor 15 Jahren aufgelegte kommunale Förderprogramm „Jung kauft Alt“ konnte nicht nur vor Ort sehr erfolgreich für Bestandserhalt und die Ansiedlung von Familien wirksam werden, sondern ist inzwischen zum bundesweiten Referenzprojekt geworden.  

Stephan Schütz (Executive Partner, gmp Architekten) stellte danach die Hintergründe und den Umbau der HP8 Isarphilharmonie in München vor. Das Gebäude beruht auf einer effektiven, nachhaltigen und kostengünstigen Modulbauweise. Es entstand in kurzer Bauzeit und findet als eigentlich provisorisch gedachtes Bauwerk inzwischen weitreichende Zustimmung. Den finalen Impulsvortrag hielt Michael Rommel (geschäftsführender Gesellschafter, hks architekten) zum Thema Digitalisierung des Bestands.

Im Anschluss wurden an drei Werkstatttischen die Themenbereiche „Umbauen erleichtern“, „Umbauen finanzieren“ und „Umbauen ermöglichen“ diskutiert.

Ein wesentlicher Schwerpunkt der Debatte waren Herausforderungen und Lösungsansätzen im Hinblick auf das Thema „Kosten“ bei Umbauprojekten. Es wurde unter anderem zu Ursachen von Kostendifferenzen zwischen Neubau- und Umbauprojekten, möglichen Einsparpotenzialen sowie Möglichkeiten der Risiko- und Prozessoptimierung diskutiert.

Ein weiterer Diskussions-Schwerpunkt lag bei möglichen Einflussfaktoren für eine neue Umbaukultur auf Verwaltungsebene. Es wurde außerdem zur Notwendigkeit neuer regulatorischer Grundlagen, zu Anforderungen an Energieeffizienz sowie zu baukultureller Bildung und der Auslobung neuer Preisverfahren zur Umbaukultur diskutiert.
 

Im Ergebnis wurden folgende 12 Erkenntnisse und Positionen für eine neue Umbaukultur festgehalten:

  1. Die Bereitschaft von Investoren umzubauen statt neu zu bauen, nimmt zu.
  2. Jedes Gebäude hat ein goldenes Energiepotential, das es zu wecken gilt.
  3. Die Trennung von Wichtigem und Unwichtigem spart Geld und schafft Qualität.
  4. Alt bleibt Alt – wir sollten Suffizienz zum Maßstab machen!
  5. Es gilt den Zusatznutzen des Bestands zu erkennen und zu benennen – die Vollkostenrechnung spricht für den Bestand.
  6. Der Umbau braucht finanzielle Anreize und Förderung – eventuell kann es sich auch lohnen, den Selbstausbau einzurechnen!
  7. Es braucht einfachere Förderprogramme: aufsuchende Förderung und aktive Verwaltung.
  8. Die Kostensicherheit beim Umbau läßt sich durch ein vorlaufendes Gutachten stärken – Phase Null fördern!
  9. Kosten lassen sich durch Flexibilität optimieren – kein vorgegebenes Bild verfolgen!
  10. Die Überregulierung beim Umbau muss abgebaut werden – mehr Spielräume eröffnen!
  11. Hochrangige Staatspreise für den Umbau ausloben
  12. Umdenken meint wirklich umdenken, also einen Paradigmenwechsel!

Die Baukulturwerkstätten sind das zentrale Arbeits- und Veranstaltungsformat der Bundesstiftung Baukultur und richten sich an Akteure aus Planung, Wirtschaft und Verwaltung. Ziel der Werkstätten ist es, übertragbare Lösungsansätze für bauliche Herausforderungen zu vermitteln und zu diskutieren. Zudem bieten die Veranstaltungen eine Plattform zum Erfahrungsaustausch und Netzwerken. Erkenntnisse aus den Werkstätten fließen in die Erarbeitung des Baukulturberichts, der im Bundestag zur Debatte steht, mit ein.

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In der Bilder-Galerie auf dieser Seite unten sehen Sie Eindrücke von Tag 1 der Werkstatt: Exkursionen durch das Bahnhofsviertel / Quartier am Weserufer in Minden, den Bürgerbahnhof Löhne sowie durch die Bielefelder Innenstadt standen auf dem Programm.

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