Straße und Schiene anderswo

Wie Ingenieurbaukunst beim Straßenbau und regionale Bahnhofsarchitektur aussehen können, hat sich die Bundesstiftung auf ihrer Reise zu den internationalen Baukulturtagen nach Venedig vor Ort in Südtirol angesehen.

Die neue Ortsumfahrung Brixen-Vahrn überzeugt durch Orts- und landschaftsintegrierte Bauwerkselemente. Die Bundesstiftung wurde bei ihrer Besichtigung durch das federführende Ingenieurbüro von Prof. Dr. Konrad Bergmeister aus Vahrn begleitet. Für den Tunnelbeton wurden zum Teil rezyklierte Zuschläge aus der Baustelle des 60 km entfernten Brennerbasistunnels verwendet. Die Tunneleingänge, Lüftungskamine und Begleitbauten wie Lärmschutzwände mit rhythmisch angeordneten Lärchenholzstützen und dossierte Stützwände entwarf das ebenfalls ortsansässige Büro Modus Architect. Besonders markant sind ein skulpturales Tunnelportal mit einladender Geste bei der Stadtzufahrt aus Richtung Brixen und die landartmäßigen Lüftungsschlote aus Cortenstahl. Auch der Wechsel von vorgefertigten Betonelementen und holverschaltem Ortbeton beim Tunnelbau zeigt die im Ergebnis überzeugende Zusammenarbeit zwischen Ingenieurbau und Architektur.

Aber auch die Pustertalbahn von Franzensfeste nach Lienz, die seit mehr als zehn Jahren zu ihrem diesjährigen 150. Geburtstag schrittweise erneuert wurde, bietet überzeugende Gestaltelemente, die den Modernisierungsschub des leise und zuverlässig fahrenden Zuges unterstreichen. Die Bahnlinie funktioniert auch als Element der Daseinsvorsorge und touristischen Infrastruktur des ländlichen Raums, indem sie für Hotels oder das Krankenhaus in Bruneck, das Skigebiet Kronplatz oder für Langlaufloipen und Radstrecken direkte Bahnanschlüsse bietet.

Vor allem aber sind hochwertig gestaltete und gut gepflegte Bahnhöfe entstanden. Die meisten Stationen sind saniert und mit den neuen Elementen ergänzt worden, die Stationen Bruneck Nord und Olang-Antholz sind auf der Strecke ergänzt und neu gebaut worden. Der Südtiroler Architekt Walter Dietl hat hierzu Designelemente entworfen, die sich zeitlos modern und harmonisch in die Landschaft einfügen. Wer noch ein Beispiel für regionaltypisches Bauen sucht, findet es hier. Dietl ist handwerklich versiert, hat das Schmiedehandwerk und Stahlbearbeitung gelernt und sich Holzbau selbst beigebracht. Optimale Funktionserfüllung, klare Formen, einfache Entwurfssprache und wenige Materialien prägen die Bauwerke Walter Dietls. Verputztes Mauerwerk, unbehandelte Lärche und Stahl und die klugen und materialgerechten Details unterstützen den harmonischen Gesamteindruck.

„Das sieht super aus. Warum werden nicht auch in Deutschland Bahnhöfe so gut gestaltet?“ fragt Sarah Berg, Werkstudentin bei der Bundesstiftung, die die Fahrt mit dem Baukulturmobil begleitet und dokumentiert.

„Tatsächlich bedient sich auch die Deutsche Bahn beim Bau und Umbau von Haltestellen standardisierter Bauelemente. Bei vielem ist noch Luft nach oben, was die Designqualität betrifft. Die Stiftung sieht ein großes Potential in vorgefertigten Elementen, wenn das Design stimmt und ortbezogen als Baukasten eingesetzt werden kann. Die Pustertallinie ist hierfür ein gutes Beispiel“, so Reiner Nagel von der Bundesstiftung Baukultur.

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