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Nachbericht: "Internationale Baukulturtage 2021" in Venedig

Die Bundesstiftung Baukultur führt alle zwei Jahre anlässlich der Architekturbiennale in Venedig ihre Internationalen Baukulturtage durch. Aufgrund der Pandemie-bedingten Vorkehrungen wurde die 17. Architekturbiennale zum Thema „How will we live together?“ um ein Jahr verschoben und im Mai 2021 eröffnet. Die Bundesstiftung Baukultur hat daran anschließend ihre Internationalen Baukulturtage vom 6. bis 8. Oktober 2021 in Venedig veranstaltet. Ziel war es, das internationale Netzwerk weiter auszubauen und mit diesem den Fachaustausch zu baukulturellen Fragen zu befördern. 

Den Auftakt bildete am 6. Oktober eine Museumsführung durch das M9 durch den Kurator, Livio Karrer. Das Museum in Mestre wurde vom international tätigen Architekturbüro Sauerbruch Hutton geplant und im Jahr 2019 eröffnet. Rund 50 Teilnehmende waren vor Ort dabei. Zuvor fand im kleinen Kreis ein Erfahrungsaustausch europäischer Baukulturinstitutionen für geladene Gäste im Museum statt.

In Kooperation mit dem Deutschen Studienzentrum in Venedig folgte dann am 7. Oktober das Internationale Symposium zum Thema „Stadt & Identität“ – erstmalig im Palazzo Zeno. Die Räumlichkeiten des Deutschen Studienzentrums in Venedig (DSZV) konnten aufgrund der Corona-bedingten Vorschriften in diesem Jahr leider nicht genutzt werden.

Reiner Nagel, Vorstandsvorsitzender der Bundesstiftung Baukultur begrüßte die Gäste vor Ort und moderierte den Vortragsvormittag. Niccolo Zeno, Hausherr des Palazzo Zeno gewährte in seinem kurzen Empfang einen kleinen Einblick in die langjährige Geschichte der Familie Zeno und das beeindruckende gotischen Wohnhaus aus dem 15. Jahrhundert. Dr. Marita Liebermann, Direktorin des Deutschen Studienzentrums in Venedig, nutzte die Begrüßung, um den Begriff „Identität“ näher zu erläutern.

Den ersten Vortrag hielt der Architekt Sergio Pascolo (Sergio Pascolo Architekcts) über sein Buch „Venedig im 21. Jahrhundert – Vision und Strategien für eine nachhaltige Renaissance“. Er erklärt darin, wie eine nachhaltige Renaissance der Lagunenstadt mit einer breit angelegten Strategie in der globalen Perspektive konkret aussehen könnte: die auf Tourismus konzentrierte Monokultur Venedigs soll durch die Leitbilder „Nachhaltige Stadt“, „Wasser-Stadt“, „Künstler-Stadt“ und „Stadt des nachhaltigen Tourismus“ ersetzt werden. 

Im Anschluss sprach Clemens F. Kusch (cfk architetti venezia) über die historische Bedeutung der Stadt sowie über das Verhältnis zwischen Venedig und dem „Festland“, der Stadt Mestre. Er sprach auch von Venedigs Abhängigkeit von Mestre, da dort einerseits aufgrund der günstigeren Mieten viele Arbeitnehmer, die in Venedig beschäftig sind, wohnen und auch viele Funktionen der Stadt nach Mestre und Marghera auf dem Festland ausgelagert wurden. 

Architekt, Bühnen- und Kostümbildner Gregor Sturm bat die Zuhörenden in seinem Vortrag „Venedig 2040“ darum, sich die Utopie Venedig vorzustellen. Was wäre, wenn Venedig überall wäre, also überall autofrei und mit dem menschlichen Maß im Fokus?

Prof. Donatella Fioretti (Bruno Fioretti Marquez) stellte mit der Präsentation des Projekts „Neue Bücherei in Köpenick“ einen direkten Bezug zum Thema „Stadt & Identität“ her. Stadtreparatur war das Schlagwort beim Bau der neuen Bibliothek in Köpenick. Der Ziegelbau vom Büro Bruno Fioretti Marquez knüpft in Material und Form überzeugend an den Bestand an.

Für das Nachmittagsprogramm teilten sich die Teilnehmer in zwei Gruppen. Etwa 40 Teilnehmende führten ein Fachgespräch zum Symposium im Deutschen Studienzentrum in Venedig. Diskutiert wurde dabei über den Begriff „Identität“ in Bezug auf Venezianische Bevölkerung, die Venezianische Baukultur und das Instrumentarium der Stadtgestaltung, die aktive Stadtgestaltung im Vergleich zum Konservativismus und das Thema der baukulturellen Bildung. Die anderen Teilnehmer wurden zu einer architekturhistorischen Stadtführung durch Prof. Reinhard Haus eingeladen. Er studierte Architektur- und Kunstgeschichte in Venedig und konnte umfassendes Wissen zur Stadtgeschichte und -entwicklung weitergeben sowie Bezüge der Architektur Venedigs zu prägenden Bauten in Deutschland und Europa herstellen. Zusätzlich bekamen die Teilnehmer der Stadtführung einen Einblick in das Handwerkszentrum der uni.s.ve Laboratorio Universe und im Gespräch mit dem Leiter, Guido Jaccarino, Informationen zu traditionellen Handwerkstechniken und täglichen Aufgabenfeldern und Herausforderungen im historisch geprägten Venedig.

Zum Abendempfang trafen die Teilnehmer wieder im Palazzo Zeno ein und wurden durch Staatssekretärin Anne Katrin Bohle, Dr. Marita Liebermann (DSZV) und Reiner Nagel begrüßt. Ein Catering-Dienstleister versorgte die Gäste mit Speisen und Getränken, sodass ein weiterer Austausch in einer lockeren Atmosphäre möglich war und über die Inhalte des Tages in wechselnden Personengruppen debattieren konnten.

Den Abschluss der Internationalen Baukulturtage am 8. Oktober bildeten geführte Rundgänge über die Architekturbiennale. Die Architekten Anabel Gelhaar und Clemens F. Kusch leben seit vielen Jahren in Venedig, haben damit ein umfassendes architektonischen Wissen über die Stadt. In zwei Gruppen besuchten die knapp 60 Teilnehmenden jeweils am Vormittag und am Nachmittag die Ausstellungen in den Arsenalen und in den Giardini.

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