Davos Alliance 2023 - Bündnis für Baukultur: Reiner Nagel im Interview

Reiner Nagel, Vorsitzender der Bundesstiftung Baukultur und Mitglied der Editorial Group der Davos Alliance 2023, zieht eine erste Bilanz aus dem Treffen in Davos

Sie waren 2018 bei der Baukultur-Erklärung von Davos schon dabei. Um was ging es diesmal und was war anders?

Davos war 2018 tief verschneit, diesmal lag nur wenig Schnee. Aber ernsthaft: 2018 wurde im Europäischen Kulturerbe Jahr ein bedeutsamer Meilenstein für die Baukultur erarbeitet und beschlossen. Jetzt konnte darauf aufbauend das Davos Quality System (DQS) als handlungsleitender Maßstab für Baukultur verankert und ein bereichsübergreifendes Bündnis gegründet werden. Wenn Sie so wollen die Konkretisierung und Operationalisierung von Baukultur als Handlungsebene im politischen Raum und in der Praxis.

Wer sind denn konkret die Bündnispartner?

Die Funktion eines Bündnisses ist es, dass es unterschiedliche Partner zusammenbringt. Insgesamt haben 45 Gründungsmitglieder unterschrieben. 25 europäische Staaten, unter ihnen auch Deutschland, die Niederlande, Spanien, Italien und natürlich die Schweiz, drei internationale Institutionen – dabei die UNESCO und UN-Habitat – sieben sogenannte NGO’s wie ICOMOS und Europa Nostra und sieben internationale Unternehmen und Einrichtungen der Bau- und Immobilienwirtschaft wie HOLCIM und die DGNB. Schon bei der Diskussion im Vorfeld und den Statements beim Gründungsakt wurde deutlich, dass bei aller Unterschiedlichkeit die Zusammenarbeit für ein baukulturell hochwertiges Ergebnis im gemeinsamen Interesse liegt. 

Und wie wird das Bündnis wirksam?

Alle Bündnispartner verpflichten sich im Gründungsvertrag, die Ziele der Davos-Baukultur Erklärung mitzutragen und das Davos Quality System in ihrer eigenen Praxis anzuwenden. Darüber hinaus soll die ergebnisorientierte Zusammenarbeit für eine hochwertige Baukultur in einem offenen Austausch gefördert werden. Hierzu wird ein Steering-Commitee beim WEF eingerichtet werden, dass das Sekretariat für die kommenden fünf Jahre übernimmt. Hier sind auch der DGNB für den privaten Sektor und der ACE, der Architects Council of Europe für den Bereich der Zivilgesellschaft vertreten. Die weiteren Ziele und Aufgaben sollen im Steering Commitee entwickelt und umgesetzt werden. Klaus Schwab, der Gastgeber des Weltwirtschaftsforums hat in seinem Grußwort an die Teilnehmenden vorgeschlagen, dem Thema Baukultur ein jährliches Forum zu widmen und nicht wieder fünf Jahre bis zur nächsten großen Konferenz zu warten. Das wäre natürlich super.

Glauben Sie das funktioniert und was wird sich ändern?

Die Qualität und Substanz des Prozesses und der Partner, aber auch die Mitwirkung der Wirtschaft sprechen dafür, dass wirklich eine positive Veränderung eintritt. Die Baukultur-Erklärung von Davos hat bereits für die Fachwelt der Planenden eine solche Veränderung bewirkt und den Begriff Baukultur international verankert. Der Schweizer Bundespräsident und Gastgeber der Konferenz Alain Berset hat dies in seiner Tischrede thematisiert: „Warum heißt es Baukultur und warum ausgerechnet ein deutsches Wort?“ In Abwägung zu anderen international eingeführten deutschen Worten wie Kindergarten, Zeitgeist, Gesamtkunstwerk oder Weltanschauung kam er zu dem, von den Teilnehmenden schmunzelnd zur Kenntnis genommenen Resümee, dass der holistische Ansatz hochwertigen Planen und Bauens eben durch kein Wort besser repräsentiert wird, als durch Baukultur.

Welche Rolle hatte die Bundesstiftung Baukultur in diesem Prozess?

Die Bundesstiftung hat im Austausch mit dem Bundesamt für Kultur der Schweiz ihre Erfahrung und Sichtweise zur Allianz eingebracht. Der Kodex für Baukultur, den die Bundesstiftung 2020 mit dem Institut für Cooperative Governance ICG entwickelt hat, nimmt bereits Bezug auf die Davos Deklaration von 2018 und ist in den Arbeitsprozess zum Bündnis eingeflossen. Ich selbst war Mitglied der sogenannten Editorial Group, die das Memorandum gemeinsam erarbeitet und den Prozess beraten hat. Umgekehrt waren wir aber nicht offizielles Mitglied der deutschen Delegation. Für das zuständige Bauministerium hat in Vertretung der deutsche Botschafter Michael Flügger die Allianz unterschrieben.

Wie geht es jetzt weiter?

Zunächst wird sich das Steering Committee organisieren. Ich denke, dass die Schweiz durch das Sekretariat beim WEF zügig zur konstituierenden Sitzung einladen wird. Hieran werden auch der DGNB Präsident Amandus Samsoe Sattler und die ACE Präsidentin Ruth Schagemann teilnehmen. Ich hoffe, dass, wie beim Kodex für Baukultur, die Bau- und Immobilienwirtschaft noch stärker mitwirken werden, weil natürlich bei der Bauherrschaft und den ausführenden Unternehmen bis hin zum Handwerk der Schlüssel zum Erfolg der Baukultur liegt. Die Bundesstiftung steht weiter als Partnerin für den Prozess und das Bündnis zur Verfügung.

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