Baukultur wosisndes? Auf dem Weg zu einem neuen Selbstverständnis im Alpenvorland

„Baukultur wosisndes?“ unter diesem Titel ist vor kurzem ein Buch erschienen, das sich der Baukultur im Alpenvorland widmet. Wir haben Dr. Elisabeth Leitner, Prof. Dr. Florian Kluge und Björn Teichmann, die die strategische Leitung für das Projekt innehatten, gefragt, was es mit der Initiative auf sich hat.

Die Gesamtprojektleiterin Dr. Elisabeth Leitner ist Vorsitzende von LandLuft - Verein zur Förderung von Baukultur in ländlichen Räumen, Prof. Dr.-Ing. Florian Kluge Kluge vertritt in der Arbeitsgemeinschaft die Alanus Hochschule für Kunst und Gesellschaft in Alfter bei Bonn und Björn Teichmann ist Freier Stadtplaner und Mitinhaber des Büros für urbane Projekte in Leipzig.

Wie entstand die Idee für das Projekt Baukulturregion Alpenvorland?

Björn Teichmann: Vor einigen Jahren haben wir - der Verein LandLuft, die Alanus Hochschule und das Büro für urbane Projekte - als Arbeitsgemeinschaft (Arge) das Projekt „Baukultur konkret“ des Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung bearbeitet. Drei Jahre lang haben wir bürgerschaftliche Baukultur-Initiativen begleitet und untersucht, wie diese wirksam sind und besser unterstützt werden können.

Elisabeth Leitner: Daraus ist die Idee der Baukulturregion entstanden. Michael Pelzer, ehemaliger Bürgermeister von Weyarn und Roland Gruber, damaliger Obmann von LandLuft, haben sich als engagierte Baukultur-Macher gesagt: So eine Begleitung bräuchte man auch für Kommunen, um gemeinsam eine Baukulturregion Alpenvorland zu entwickeln! Mit Hilfe des LEADER-Programmes, durch das seit 1991 modellhaft innovative Aktionen im ländlichen Raum gefördert werden, ist dann ein Projekt mit acht bayerischen Kommunen entstanden. Drei Jahre lagen haben sich die Kommunen durch unsere Arge begleiten und beraten lassen.

Ist es gelungen, Baukultur als wichtiges Thema in der Kommune zu verankern?

Florian Kluge: Die Abschlusspublikation des Projekts heißt nicht ohne Grund „Baukultur wosisndes?“. Es ging erstmal darum, den schwergängigen Begriff zu erklären und aufzuzeigen, was Baukultur mit dem täglichen Zusammenleben und -wirken in der Kommune zu tun hat. Das ist gelungen.

Björn Teichmann: Die beteiligten Kommunen haben sämtlich unsere Baukultur-Charta verabschiedet und lokale Baukultur-Agenden entwickelt. Wir haben in zahlreichen vielseitigen Formaten versucht, das Thema Baukultur vor Ort sichtbar zu machen: Vortragsabende, Bürger:innengespräche, Ortsspaziergänge, Stammtische, Exkursionen etc. Wir haben die ersten Schritte gemeinsam gemacht, nun gilt es, sie zu verstetigen.

Was waren die besonderen Momente im Projekt?

Björn Teichmann: Für mich war ein besonderer Moment die Staffelstabübergabe im November. Nachdem wir anfangs lange mit Covid-Einschränkungen zu tun hatten, spürte man gegen Ende des Projekts einen großen Zusammenhalt und einen gemeinschaftlichen Willen, Baukultur voranzubringen.

Florian Kluge: Da kam auch unsere „Baukulturknete“ zum Einsatz. Unter dem Motto „Baukultur wosisndes – Es ist, was Du draus machst!“ haben alle Teilnehmer:innen etwas geknetet und erläutert, was Baukultur für sie ausmacht. Ein kleiner Moment – mit einem Lächeln im Gesicht und doch sehr ernst gemeint.

Elisabeth Leitner: Der letzte Tag im Projekt war ein ganz besonderer. 55 Menschen hatten sich angemeldet, über 80 sind gekommen. Die Gemeinde Bad Feilnbach hatte eingeladen, das Troger-Haus zu besichtigen. Ein baukultureller Schatz aus dem 16. Jahrhundert, der nun im Besitz der Gemeinde ist und mit den Bürger:innen zu einem Gemeinschaftshaus entwickelt werden soll. Danach haben wir unser Buch „Baukultur wosisndes“ präsentiert.

Was hat es mit dem Buch auf sich?

Florian Kluge: Das Buch ist einer von sieben Bausteinen der gemeinsam entwickelten Baukulturstrategie. Gedruckt auf eigens für uns hergestelltem Papier aus Gmund. Als bilderreicher Rückblick soll es ein Dank sein an alle Beteiligten des Projekts, ein Schulterklopfen für das Erreichte. Es soll aber auch ein Blick nach vorne sein: Begeistern, anstecken und neue Projekte initiieren. Es soll natürlich auch eine Antwort geben auf die Frage, die uns im Projekt immer wieder begegnet ist: Baukultur wosisndes?

Haben Sie Empfehlungen für vergleichbare Initiativen?

Elisabeth Leitner: Das Buch zeigt ganz gut, was es braucht: Engagierte Menschen vor Ort – gepaart mit dem Blick von außen. Professionelle LEADER-Manager. Eine Vielzahl von Formaten und Veranstaltungen. Öffentliche Förderung. Einen langen Atem. Und nicht zuletzt: Viel Spaß bei der Arbeit!

Wie geht es weiter?

Björn Teichmann: Die Druckerei hat auf die Kartons versehentlich statt „Baukultur wosisndes?“ „wo isn des?“ gedruckt. Da mussten wir schmunzeln und haben gedacht, das könnte unser nächstes Projekt sein: Jetzt, wo wir endlich geklärt haben, was Baukultur ist, machen wir uns auf die Suche, wo sie zu finden ist…

Herzlichen Dank für das Interview, wir sind gespannt, wie es weitergeht!

Das Buch kann bestellt werden unter: servus[at]landluft[dot]at



Die Interviewpartner:innen sind das strategische Leitungsteam der drei Partnerorganisationen der Arbeitsgemeinschaft Baukultur konkret:

Dr. Elisabeth Leitner ist Vorsitzende von LandLuft - Verein zur Förderung von Baukultur in ländlichen Räumen. Sie hat Architektur und Eventmanagement studiert und zur Thematik „Kulturhauptstadt Europas und Stadtentwicklung“ promoviert. Sie ist Prozessbegleiterin und Moderatorin und lehrt an mehreren Hochschulen. Elisabeth Leitner setzt sich in unterschiedlichen Arbeitsgemeinschaften und Projekten für die Thematiken „ländlicher Raum“ und „Baukultur“ ein.

Prof. Dr.-Ing. Florian Kluge vertritt in der Arbeitsgemeinschaft die Alanus Hochschule für Kunst und Gesellschaft in Alfter bei Bonn. Florian Kluge ist Landschaftsarchitekt und Gesellschafter der nonconform ideenwerkstatt. Das Büro mit sieben Standorten in Österreich und Deutschland ist Spezialist für kreative Beteiligungsprozesse. An der Alanus Hochschule ist Kluge Professor für Projektmanagement, Dekan des Fachbereichs Architektur und Leiter des Instituts für Prozessarchitektur.

Dipl.-Ing. Björn Teichmann ist Freier Stadtplaner und Mitinhaber des Büros für urbane Projekte in Leipzig. Das Büro ist schwerpunktmäßig in der Stadtentwicklungsplanung, Stadtplanung, Bauleitplanung und Standortentwicklung sowie in der Moderation und Durchführung von Partizipationsprozessen, Wettbewerbs- und Qualifizierungsverfahren tätig. Er war Projektleiter im gemeinsam mit der Alanus Hochschule und dem LandLuft Verein durchgeführten Forschungsprojekt „Baukultur konkret“ des Bundesschule für Kunst und Gesellschaft in Alfter bei Bonn und Björn Teichmann ist Freier Stadtplaner und Mitinhaber des Büros für urbane Projekte in Leipzig.

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