Baukulturwerkstatt in Regensburg 2015

Infrastruktur und Landschaft

© Heimann Schwantes für die Bundesstiftung Baukultur

„Gestaltung erzeugt Kreativität und Innovation und ist der Schlüssel für eine verbesserte Akzeptanz großer Infrastrukturprojekte“, so Reiner Nagel, Stiftungsvorstand der Bundesstiftung Baukultur, anlässlich der Baukulturwerkstatt „Infrastruktur und Landschaft“, die am 9. und 10. Juli in Regensburg stattfand.

Kilometerlange Stromtrassen, Windparks auf weiter Flur oder hohe Mauern für den Hochwasserschutz. Die baulichen Auswirkungen des Klimawandels und der Energiewende greifen oft negativ in Landschaften ein. Wie Infrastruktur nicht nur verträglich integriert werden kann, sondern auch funktionale und gestalterische Mehrwerte bringt oder das Landschaftsbild sogar bereichern kann, diskutierten Landschaftsarchitekten, Ingenieure, Stadtplaner und Architekten anhand von acht auf dem Podium vorgestellten Beispielen, bei offenen Diskussionen an fünf Werkstatttischen und bei einer Projektbörse.

Bereits ein Drittel der Kulturlandschaften in Deutschland sei durch Technik oder Bebauung visuell geprägt, führte Andrea Hartz (agl) in ihrer Keynote zu Transformationsprozessen aus. Daher gebe es mittlerweile nicht mehr nur natürliche, sondern auch urbanisierte Landschaften. Bisher beschreibe aber lediglich die Fachwelt diese Transformation, eine Bewertung müsse jedoch im gesellschaftlichen und politischen Rahmen erfolgen, so Hartz. Das Projekt des Stadthafens Senftenberg zeigte etwa, dass aus einer ehemaligen Tagebaustätte ein Impulsgeber für eine ganze Region werden kann. Durch touristische Angebote, Gastronomie, moderne Lichtkonzepte und Barrierefreiheit konnten Folgeinvestitionen generiert werden, die den Tagebau heute zu einer neuen Schauseite der Stadt machen. Die Projektsteuerung dafür lag bei den Landschaftsarchitekten (bgmr Landschaftsarchitekten) in enger Abstimmung mit den Ingenieursdisziplinen wie Wasserbau und Statik.

Wie das Projekt der BUGA Koblenz 2011 zeigt, kann auch eine Bundesgartenschau die Zusammenarbeit und den Zusammenhalt in einer Stadt stärken, wenn es um Transformationsprozesse gehe, erklärte Stephan Lenzen (RMP Stephen Lenzen Landschaftsarchitekten). So könnten die Bürger bei Veränderungsprozessen mit einbezogen werden. Anschließend gab Dieter Grau (Atelier Dreiseitl GmbH) Einblicke in die Rekultivierung von Flächen eines Zementwerkes in Dormettingen bei Rottweil. Der neu geschaffene Schiefererlebnispark schafft nicht nur neue landwirtschaftliche Fläche, sondern auch einen Mehrwert für die Bürger, da der Abbau der Rohstoffe innerhalb eines Naturerlebnisparks gezeigt wird, zu dem auch ein See und ein Fossilien-Platz gehört.

Der lokale Bezug der Baukulturwerkstatt zu Regensburg zeigte sich an Projekten zum integrierten Hochwasserschutz, die rund 25 Interessierte einer dialogischen Fahrradtour persönlich besichtigen konnten. Die kurzweilige Tour startete am Hauptbahnhof und führte u.a. nach Schwabelweis, in die Werftstraße im Stadtteil Unterer Wöhrd und nach Reinhausen. Dabei kamen auch beteiligte Planer und Anwohner zu Wort. Beim Hochwasserschutzes in Schwabelweis, erfolgte in vorbildlicher Weise, beginnend mit einem europaweit ausgeschriebenen Wettbewerb, die Zusammenarbeit von Landschaftsarchitekten, Architekten und Bauingenieuren, die nicht nur eine Schutzanlage, sondern eine Aufwertung des gesamten Uferbereiches mit Naherholungsmöglichkeiten für die Regensburger schufen, sagte Wolfgang Weinzierl (Weinzierl Landschaftsarchitekten GmbH).

Im zweiten Teil der Werkstatt ging es um Landschaftsästhetik, die Prof. Dr. Sören Schöbel-Rutschmann (TU München) in seiner Keynote mit dem „Paradigma der Trennung von Landschaft und Infrastruktur“ beschrieb: Windenergie- und Solaranlagen würden per se die Landschaft entwerten. Natürlich bekämen die Bürger „einen Berührungsschock zwischen globaler Infrastruktur und privaten Räumen“, wenn eine „Monstertrasse“ hinterm Haus verliefe. Stattdessen sollten baukulturelle Konzepte für Integration und Gestaltung entworfen und erneuerbare Energien in Stadt und Landschaft bewusst eingefügt werden.

 

Dieser Ansatz wurde auch mit der Parkautobahn A42 im Emscher Landschaftspark im Ruhrgebiet verfolgt (Dr. Hans-Peter Rohler, foundation 5+): Auf 58 Kilometern Autobahn verbindet die A42 bedeutende Wahrzeichen der Industriekultur und führt an Zechensiedlungen, Wohnprojekten, an Halden, auf denen Kunstwerke stehen und Bahntrassen, die zu Radwegen wurden, vorbei. Für die Integration sollten einerseits Kriterien wie Aufenthalt, Bewirtschaftung, Ökologie und Verknüpfung zusammengedacht werden, andererseits ein gemeinsames Vorgehen zwischen regionaler und kommunaler Planung sowie den Infrastrukturträgern erfolgen. Auch das Projekt Rastanlage Lange Berge (mahl.gebhard.konzepte) bei Coburg zeigte, dass interdisziplinäres Arbeiten der Schlüssel zum Erfolg ist, hier durch die Auslobung eines Wettbewerbs initiiert: Landschaftsarchitekten und Verkehrsplaner sollten zusammen eine optimale Lösung finden, um statt bloßer Verkehrsarchitektur einen Ort mit echter Aufenthaltsqualität und Landschaftserlebnis zu schaffen.

Einblick in den soziologischen Ansatz gab Dr. Babette Scurell (Stiftung Bauhaus Dessau) mit der Energieavantgarde Anhalt. Das Projekt soll den Forschungsrahmen an Veränderungen des Raums hinsichtlich der Energiewende hin zu post-fossilen Systemen abstecken. Anschließend zeigte Lars-Christian Uhlig mit dem Konversionsprojekt Neues Bauen am Horn in Weimar, wie die Stadt ein ehemaliges Kasernengelände als Wohnquartier neu etablieren konnte. Die Architekten mussten dabei die Bauherrenwünsche mit den Vorgaben des Bebauungsplans vereinbaren, was mit einem durchweg offenen Verfahren und einem Baubeirat auch gelang. Damit wurde eine echte Alternative zum Bauen auf der grünen Wiese geschaffen und die städtische Infrastruktur gestärkt.

Abschließend ging Dr. Wilhelm Klauser (InD Initialdesign) in seinem Impulsvortrag auf die Wechselbeziehung zwischen Stadt und Land ein: wenn die Stadt wachse, verliere zwangsläufig das Land Bewohner und Produktionsstätten. Oft ende die Planung an Verwaltungsgrenzen, doch vielmehr müssten Gewohnheiten und die Bewegungsströme der Bürger beachtet werden. Der ländliche Raum biete unendliche Gestaltungsmöglichkeiten, wie diese aber aufgegriffen werden sei allerdings noch im Prozess.

Programm

Donnerstag, 9. Juli

Offener Vorabendempfang ab 20 Uhr

 

Freitag, 10. Juli 2015

Werkstatttag 9–17 Uhr

 

Gesamtmoderation: Angela Fritzsch, Journalistin rbb

 

ab 8.30 Uhr

Eintreffen und informeller Austausch der Teilnehmer, Projektbörse

 

9.30 Uhr

Grußworte:

Joachim Wolbergs, Oberbürgermeister Stadt Regensburg

Gunther Adler, Stiftungsratsvorsitzender Bundesstiftung Baukultur, Staatssekretär im Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit

Reiner Nagel, Vorstandsvorsitzender Bundesstiftung Baukultur

 

10 Uhr

Baukultur-Barometer Reiner Nagel, Vorstandsvorsitzender Bundesstiftung Baukultur

 

10.15 Uhr

1. Werkstattrunde: Landschaften kultivieren

 

Keynote: Gestaltung von Kulturlandschaften vor dem Hintergrund aktueller Transformationsprozesse Andrea Hartz, agl

 

Vorstellung von Best-Practice-Projekten

 

P01 Stadthafen Senftenberg; V-Prof. Dr. Carlo W. Becker, bgmr Landschaftsarchitekten & Prof. Oliver Hall, ASTOC Architects and Planners

P02 BUGA Koblenz; Stephan Lenzen, RMP Stephan Lenzen Landschaftsarchitekten

P03 Hochwasserschutz Regensburg; Wolfgang Weinzierl, Weinzierl Landschaftsarchitekten GmbH & Christine Schimpfermann, Stadt Regensburg

P04 Schiefererlebnispark; Dieter Grau, Atelier Dreiseitl

 

11.30 Uhr

Offene Werkstatt 1: Diskussion an Werkstatttischen

 

12.30 Uhr

Mittagspause mit Besuch der Projektbörse

 

13.30 Uhr

2. Werkstattrunde: Infrastruktur integrieren

 

Keynote: Energie und Landschaftsästhetik

Prof. Dr. Sören Schöbel-Rutschmann, TU München

 

Vorstellung von Best-Practice-Projekten

 

P05 Parkautobahn A42, Reintegration monofunktionaler Infrastrukturen; Dr. Hans-Peter-Rohler, foundation 5+

P06 Rastanlage Lange Berge; Andrea Gebhard, mahl.gebhard.konzepte & Gert Weißmantel, Autobahndirektion Nordbayern

P07 Energieavantgarde Anhalt; Dr. Babette Scurrell, Stiftung Bauhaus Dessau

P08 Neues Bauen am Horn, Weimar; Lars-Christian Uhlig

 

15 Uhr

Offene Werkstatt 2: Diskussion an Werkstatttischen

 

16 Uhr

Impulsvortrag: Stadt und Land

Dr. Wilhelm Klauser, inD initialdesign

 

16.30 Uhr

Fazit und informeller Ausklang mit Getränken

 

18 Uhr

Ende der Veranstaltung

Kartenansicht

Dokumentation

Baukulturwerkstatt in Regensburg zeigt Perspektiven für die Gestaltung von Infrastrukturprojekten

Impressionen

Baukulturwerkstätten

Stadt und Land

Veranstalter

Bundesstiftung Baukultur

Termin

09.07.2015 – 10.07.2015

Ort

RT-Halle
Schopperplatz 6
93059 Regensburg
Deutschland

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