Baukulturwerkstatt in München 2016
Flucht nach Vorne

Die Werkstatt „Flucht nach Vorne“ des BDA Bayern und der Bundesstiftung Baukultur am 10. und 11. März 2016 in München lieferte gebündelte Fachkompetenz und lebendige Debatten zum Thema integrierendes Planen und Bauen für Geflüchtete.
Die Werkstatt „Flucht nach Vorne“ bildete das Zentrum einer konzertierten Veranstaltungsfolge in München. Im Fokus der lebendigen und interdisziplinär geführten Debatte standen gebaute Lösungen, die perspektivisch das Potenzial haben, Geflüchtete und Zuwandernde in unsere Gemeinschaft zu integrieren und ihnen bei der Ankunft und später gemeinsam mit anderen Wohnungssuchenden ein menschenwürdiges Zuhause zu schaffen.
Mehr als 200 am Thema Interessierte Teilnehmer nahmen die vielfältigen Angebote – wie Stadtspaziergänge, Abendempfang, Vorträge, Diskussionen und Tischgespräche – rund um die Werkstatt „Flucht nach vorne“ wahr, die unter der Schirmherrschaft von Joachim Herrmann, Bayerischer Staatsminister des Innern, für Bau und Verkehr stand und von der Kuratorin Julia Hinderink entwickelt wurde.
„Integration beginnt beim Wohnen“, unterstrich Reiner Nagel die Bedeutung von gebauten Lösungen für menschenwürdige Unterkünfte für Geflüchtete. „Wir brauchen qualifizierte temporäre Lösungen, die auf drei bis fünf Jahre ausgerichtet sind. Parallel dazu benötigen wir aber qualifizierten sozialen Wohnungsbau, der allen Nutzergruppen offen steht“, so Nagel. „Der von Bund und Ländern geförderte soziale Wohnungsbau wird unsere Städte für lange Zeit prägen. Hier darf es keine Abstriche an baukulturellen Qualitäten oder technischen Standards geben.“
Karlheinz Beer, Vorsitzender des Bund Deutscher Architekten Bayern, rief dazu auf, Worten auch gebaute Taten folgen zu lassen: „Zeigen wir nun, dass die Stärke eines erfolgreichen Landes nicht nur durch Exportleistungen, regen Tourismus und Konsum dokumentiert wird, sondern dass eine gut organisierte leistungsfähige Gesellschaft wie die unsere die anstehenden Aufgaben als Chance und Impuls zur positiven baulichen Fortentwicklung nutzen kann. Lasst uns die Antworten entwickeln, planen und bauen - Architektenschaft und Stadtplaner stehen bereit, Lösungen aufzuzeigen."
Julia Hinderink, die Kuratorin der Veranstaltung, warb dafür, sich genauer mit den Architekturen von Entwicklungs- und Schwellenländern zu befassen und sich hier auch mit den Chancen und Möglichkeiten der interdisziplinären Zusammenarbeit und Partizipation auseinanderzusetzen: "Die Architekten im globalen Süden, die sich den Herausforderungen der Megastädte stellen, haben neue Methoden entwickelt. Viele der dortigen Projekte werden mit den Nutzern geplant und gebaut. Und damit ist nicht nur die Partizipation der zukünftigen Bewohner gemeint, sondern das Einbinden aller Experten. Vor allem aber der Übergang von einem geregelten Plan zu einem Prozess."
Die Veranstaltung war eine Kooperation mit dem Museum Fünf Kontinente, der Hans Sauer Stiftung, der Stiftung Federkiel und dem Referat für Stadtplanung und Bauordnung der Stadt München, sie wurde durch das Ziegel Zentrum Süd e.V. unterstützt und von Julia Hinderink MA RCA kuratiert.
Wir danken unseren Kooperationspartnern und den Medienpartnern: Baumeister, Bauwelt, muenchenarchitektur.com
Den ausführlichen Nachbericht finden Sie hier als PDF sowie im Downloadbereich dieser Seite. Im Bereich "Dokumentation" erfahren Sie noch mehr über Ergebnisse, Vorträge und Positionen der Werkstatt und finden Videos und Impressionen.
Weitere Informationen zu „Flucht nach vorne“ sowie einen Veranstaltungsbericht des BDA Bayern finden Sie unter www.bda-bayern.de
Programm
Im Umfeld zum Thema Wohnraum und Integration von Geflüchteten engagieren sich derzeit mehrere Initiativen in München und Bayern. Vom 9. bis 12. März 2016 finden in München Vorträge, Führungen, Workshops und Ausstellungen mit unterschiedlichen Schwerpunkten statt:
Mi., 09.03.2016, 19 Uhr
Wir machen das! WOHNRAUM FÜR ALLE meets „Home not Shelter!“
Ausstellungseröffnung Architekturgalerie München
Sa., 12.03.2016, 11–18 Uhr
WOHNRAUM FÜR ALLE
Open Space mit Präsentation, Projektbörse, Barcamp
Programmablauf "Flucht nach Vorne" vom 10. bis 11. März 2016
Donnerstag, 10. März 2016
15 Uhr
Stadtspaziergang "Orte des Ankommens – Integration in der Münchner Innenstadt"
Start am Hauptbahnhof München
18 Uhr
Vorabendempfang
MUCCA, Kreativquartier München, Schwere-Reiter-Straße 2, München
18.30 Uhr
Begrüßung
Karlheinz Beer, Vorsitzender BDA Landesverband Bayern
Reiner Nagel, Vorstandsvorsitzender Bundesstiftung Baukultur
Dr. Ralph Boch, Vorstand Hans Sauer Stiftung
18.45 Uhr
Keynote, Prof. Dr. Andres Lepik, Direktor Architekturmuseum der TU München
Vortrag, Werner Schellenberg, Mitarbeiter des United Nations High Comissioner for Refugees (UNHCR)
ab 19.45 Uhr
Empfang
Freitag, 11. März 2016, 9 Uhr
Werkstatt
Museum Fünf Kontinente, Maximilianstraße 42, München
8.30 Uhr
Einlass
9.15 Uhr
Begrüßung
Dr. Christine Kron, Direktorin Museum Fünf Kontinente
Friedrich Geiger, Ministerialdirigent, in Vertretung des Schirmherrn Staatsminister Joachim Herrmann
9.30 Uhr
Grußwort, Gunther Adler, Staatssekretär im Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit
9.45 Uhr
Positionen
Karlheinz Beer, Vorsitzender BDA Landesverband Bayern
Reiner Nagel, Vorstandsvorsitzender Bundesstiftung Baukultur
Prof. Dr. (I) Elisabeth Merk, Stadtbaurätin Landeshauptstadt München
10.15 Uhr
Input
„Von der Zukunft ins Jetzt“ Julia Hinderink, Kuratorin
„Soziale Mischung Bauen“ Prof. Dr. Jürgen Friedrichs, Soziologe
10.50 Uhr
Vorstellung Best-Practice-Projekte
„VinziRast-mittendrin“ Alexander Hagner, Architekt, gaupenraub +/-
„Bellevue di Monaco“ Till Hoffmann, Vorstand Bellevue di Monaco
"Temporäres Wohnen in Bremen" Tobias Kister, Feldschnieders + Kister BDA
11.20 Uhr
„Neue Aufgaben für die Immobilienwirtschaft“
Moderiertes Gespräch mit Hans-Otto Kraus, GWG Städtische Wohnugsgesellschaft München mbH und Prof. Dr. Matthias Ottmann, Urban Progress GmbH
Diskussion
12 Uhr
„Konzepte für eine menschenwürdige Architektur“ Prof. Jörg Friedrich
12.30 Uhr
Vorstellung der Offenen Werkstatt
12.45 Uhr
Gemeinsame Mittagspause
13.45 Uhr
Offene Werkstatt mit sechs Thementischen
15 Uhr
Schlaglichter aus den Werkstätten
15.15 Uhr
Podiumsdiskussion zur Werkstatt
Prof. Jörg Friedrich, Professor für Entwerfen und Gebäudelehre LU Hannover
Dr. Lore Mühlbauer, Bauoberrätin, Regierung von Oberbayern
Prof. Manuel Herz, Professor für Architektur und Städtebau Universität Basel
Dr. Stephan Dünnwald, Bayerischer Flüchtlingsrat
Dr. Bernd Hunger, GdW Bundesverband deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen e.V.
Till Hoffmann, Vorstand Bellevue di Monaco
15.45 Uhr
Kaffeepause
16.15 Uhr
„Making Heimat“ Peter Cachola Schmal, Direktor Deutsches Architekturmuseum und Generalkommissar für den deutschen Beitrag auf der 15. Architekturbiennale in Venedig
16.45 Uhr
Fazit und Dank
Karlheinz Beer, Vorsitzender BDA Landesverband Bayern
Reiner Nagel, Vorstandsvorsitzender Bundesstiftung Baukultur
17 Uhr
Verabschiedung und Ausblick
Get-Together
Gesamtmoderation: Nicolette Baumeister
Kartenansicht
Dokumentation
„Integration beginnt beim Wohnen.“
Impressionen













Ergebnisse aus der gemeinsam mit dem BDA Bayern durchgeführten Werkstatt waren:
1. „Integration beginnt beim Wohnen.“
Integration beginnt beim Wohnen. Die Lösung der Wohnungsfrage ist eine der wichtigsten gesellschaftlichen Herausforderungen der Gegenwart. Wir brauchen Wohnungsbau für alle, in gemischten Quartieren und Siedlungen, die das Miteinander verschiedener Generationen, Milieus und Kulturen und die Integration neuer Bevölkerungsgruppen fördern sowie zum Entstehen neuer Nachbarschaften beitragen.
2. Zweistufig denken: Schnelle Angebote durch gestalteten Modulbau und gute, dauerhafte Quartiere
Wir brauchen zunächst qualifizierte Provisorien, die auch auf der städtebaulichen Ebene durch die geschickte Anordnung oder Aufteilung von vorgefertigten Modulen Qualitäten schaffen – und so Integration erleichtern. Parallel dazu muss zügig dauerhafter Wohnungsbau entstehen, der unabhängig von einer Nutzergruppe vielerorts benötigt wird.
3. Der öffentliche Raum entscheidet
Der öffentliche Raum wird für die Integration von Geflüchteten entscheidend sein. In gemischten Quartieren sollten neben Angeboten für Wohnen, Arbeiten, Handel und Selbstversorgung auch soziale Infrastrukturen sowie Orte der Zusammenkunft vorhanden sein. Ein funktionierender öffentlicher Nahverkehr und eine umfängliche Erschließung sind weitere Schlüsselaufgaben.
4. Chancen für Stadt und Land
Eine große Chance für Wohnungsbau, der Integration fördert, liegt im nachhaltigen Siedlungsbau in Mittel- und Kleinstädten sowie ländlichen Räumen. In ländlichen Räumen und in vielen kleinen und mittleren Städten kann unter Berücksichtigung von städtebaulichen Anforderungen und dem Vorhandensein oder der Entwicklung von Arbeitsperspektiven, neuer Siedlungsbau, auch für Flüchtlingsfamilien, mit Rücksicht auf Bestandsarchitektur und „im Blickkontakt“ zur bestehenden Bevölkerung neu entwickelt werden.
5. Kooperieren
Die notwendige Konzentration bei zeitlich engagierten Zielen darf nicht zulasten der Qualität gehen. Auf Seiten der öffentlichen Hand sollten vermehrt zur aktivierenden Unterstützung und Problemlösung bei Wohnungsbauvorhaben integrierte Projektstrukturen geschaffen werden. Auch eine Einbindung und Mitwirkung der Betroffenen und Interessierten im Planungsprozess ist erforderlich und im Ergebnis häufig beschleunigend. Baukultur ist eben auch Planungskultur.
Vorträge als Video
Hier finden Sie die Positionen, Vorträge und Vitae der Referierenden:
- Architektur im Social Turn: Andres Lepik, TU München
- Challenging Camp Design & UNHCR's Out of Camp Policy: Werner Schellenberg, United Nations High Commissioner for Refugees (UNHCR)
- Position: Karlheinz Beer, BDA Landesverband Bayern
- Position: Reiner Nagel, Bundesstiftung Baukultur
- Position: Elisabeth Merk, Stadtbaurätin Landeshauptstadt München
- Von der Zukunft ins Jetzt: Julia Hinderink, MA RCA
- Soziale Mischung Bauen: Jürgen Friedrichs, Soziologe
- VinziRast-mittendrin: Alexander Hagner, gaupenraub +/-
- Bellevue di Monaco: Till Hofmann, Bellevue di Monaco
- Temporäres Bauen in Bremen, Tobias Kister, Feldschnieders + Kister
- Konzepte für eine menschenwürdige Architektur: Jörg Friedrich, Leibniz Universität Hannover
- Making Heimat – Deutscher Beitrag auf der 15. Architekturbiennale in Venedig: Peter Cachola Schmal & Oliver Elser, Deutsches Architekturmuseum