9. Baukultursalon

Immer dichter, immer besser!

Die Dichte in der Stadt hat es nicht einfach. Sie ist unerlässlich für ein attraktives urbanes Leben. Sie ist Voraussetzung für zukunftsfähige Städte der kurzen Wege, wo Wohnen und Arbeiten nah beieinander liegen. Sie ist Grundlage für die effiziente Ausnutzung von Infrastrukturen und das Gegenteil von flächen- und ressourcenintensiven Entwicklungen an den Ortsrändern.

In Zeiten stark wachsender Städte tragen aber nicht alle baulichen Aktivitäten dazu bei, dass höhere Dichten weiter positiv wahrgenommen werden. Der Baukultursalon „Immer dichter, immer besser!“ fokussiert baukulturelle Lösungen einer guten Dichte, die lebenswerte Orte ermöglicht.

Seien Sie herzlich zu einem Abend verdichteter Informationen mit konzentriertem Austausch eingeladen!

Programm

Mittwoch, 29. August 2018, 19 Uhr Beginn

"Immer dichter, immer besser!“
Ein Baukultursalon mit Diskussion

Begrüßung und Einführung
Reiner Nagel, Bundesstiftung Baukultur
Sabine Djahanschah, Deutsche Bundesstiftung Umwelt

 

Gespräch
Prof. Christiane Thalgott, Stadträtin i.R.
Dr. Jan Kehrberg, GSK Stockmann
im Gespräch mit Reiner Nagel und Sabine Djahanschah

 

Kurzimpulse
Ingrid Spengler, Spengler Wiescholek Architekten Stadtplaner
Andreas Krüger, belius
Nanni Grau, Hütten & Paläste Architekten

 

Podiumsdiskussion
Sabine Djahanschah, Deutsche Bundesstiftung Umwelt
Nanni Grau, Hütten & Paläste Architekten
Dr. Jan Kehrberg, GSK Stockmann
Andreas Krüger, belius
Ingrid Spengler, Spengler Wiescholek Architekten Stadtplaner
Prof. Christiane Thalgott, Stadträtin i.R.

Moderation: Reiner Nagel

Im Anschluss
Imbiss und Getränke

Änderungen vorbehalten

Im Rahmen der Veranstaltung werden Fotos gefertigt werden, die möglicherweise zur digitalen bzw. analogen Dokumentation eingesetzt und für die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit der Allgemeinheit zugänglich gemacht werden. Mit Ihrer Teilnahme stimmen Sie den Fotoaufnahmen zu und schränken die Nutzung weder zeitlich noch räumlich ein.

Kartenansicht

Dokumentation

Handelt es sich bei der Dichte im städtischen Bauen um einen Wert an sich? Folgt man dem Vorstandvorsitzenden der Bundesstiftung Baukultur Reiner Nagel, lautet die Antwort „nein“: In seiner Einführung zeigt er an den Beispielen verschiedener Stadtquartiere von Berlin, über Innsbruck bis Mailand, dass bauliche Dichte für sich genommen noch keine Qualität darstellt. Lebenswerte und funktionierende Stadtviertel ließen sich dagegen nur schaffen, wenn es uns gelänge, Dichte in eine bauliche Form zu übersetzen, die den Menschen in den Mittelpunkt stelle, so Nagel. Wie diese Formen aussehen können, unter welchen Rahmenbedingungen städtische Dichte dieser Tage entstehen kann, wer ihre Fürsprecher und Gegenspieler sind, wurde beim 9. Baukultursalon in der Bar Babette in Berlin mit 140 Gästen diskutiert.

Für die Deutsche Bundesstiftung Umwelt (DBU) begrüßte Sabine Djahanschah. Gemeinsam mit der DBU führt die Bundesstiftung Baukultur ein Projekt zur Reduzierung der Flächeninanspruchnahme, Innenentwicklung und Baukultur durch, in dessen Rahmen der Baukultursalon stattfand. Djahanschah rückte in ihrem Impuls die Themen Bauen und Flächenverbrauch in einen globalen Kontext: Wie beeinflusst unsere Bautätigkeit Umwelt und Klima? Wie wirkt sich der Einsatz von Baustoffen auf unsere Ressourcen weltweit aus? Die Erde sei in vielerlei Hinsicht an ihre Belastungsgrenze geraten: Auch Deutschland lagere Flächen zur Nahrungsmittelproduktion im großen Stil in andere Länder aus und fast ein Viertel der landwirtschaftlichen Fläche weltweit seien bereits heruntergewirtschaftet. Gleichzeitig sei das Bauwesen bei weitem die Stoff-Strom-intensivste Branche, sodass auf deren Umgang mit Ressourcen besonderes Augenmerk zu legen sei.

Zum anschließenden Fachgespräch begrüßten Reiner Nagel und Sabine Djahanschah die ehemalige Stadtbaurätin Münchens Professor Christiane Thalgott und den Anwalt und Partner bei der Wirtschaftskanzlei GSK Stockmann Professor Jan Kehrberg. Christiane Thalgott verwies darauf, dass die Maxvorstadt als beliebtester Stadtteil Münchens gleichzeitig auch der dichteste sei – und geschichtlich ein Investorenprojekt, bei dem Verdichtung aus Renditegründen vorantrieben wurde. Im Mittelpunkt stehe für sie, wie es uns gelingen kann in der Stadtentwicklung wieder mehr soziale und menschliche Dichte herzustellen und mit welchen baulichen Formen sich das unterstützen lässt. „Dichte ist eine Chance für Mannigfaltigkeit“, so Thalgott. Mit Blick auf die gegenwärtige Marktlage äußert Jan Kehrberg Bedenken, gerade was die bauliche Vielfalt angeht: Für ihn kündige sich ein neuer Schweinezyklus an, wo am Markt gerade nur Wohnquartiere entwickelt würden, während Gewerbegebiete ins Hintertreffen gerieten. Thalgott fordert Städte auf, den Marktzyklen vorauszudenken, aber stellt gleichzeitig klar, dass sich Fragen einer langfristigen klugen Entwicklung im politischen Raum historisch immer schwergetan hätten. Auch an diesem Punkt herrscht Einigkeit zwischen der ehemaligen Stadtbaurätin und dem Immobilienexperten Kehrberg, der ebenso einen Appell an die Politik formuliert: In der Bauleitplanung gehe es letztlich nicht um den Markt, sondern um den kommunalen Gestaltungswillen. Städte müssen ihre Steuerungsfunktionen in die Hand nehmen und die Instrumente besser ausschöpfen, die ihnen zu Verfügen stünden.

Wie sich das Potential baulicher Dichte praktisch realisieren lässt, wurde anschließend in drei Impulsvorträgen erhellt.
Der Auftakt kommt von der Architektin Ingrid Spengler von SPENGLER WIESCHOLEK Architekten Stadtplaner aus Hamburg. Für eine kommunale Wohnungsbaugesellschaft in Bremen entwickelte ihr Büro neue modulare Typologien, die sich in ein Siedlungsgebiet aus den 1950er Jahren einfügen. Unter dem Namen „Tarzan und Jane“ wurden durch die neuen Baukörper barrierefreie Zugänge, ein besserer Wohnmix und Sondernutzungen wie etwa ein Café oder ein Mütter-Kind-Zentrum in den Erdgeschosszonen verwirklicht. „Die Stadt muss qualifiziert werden und nicht verdichtet“, fasst Spengler ihre Erfahrungen pointiert zusammen: Ein sensibler Umgang mit dem bestehenden Umfeld sei bei Nachverdichtungen unerlässlich.
Der Beitrag von Andres Krüger, Geschäftsführer der Belius GmbH, einem Büro für Raumstrategien setzt sich mit der Gestaltung von Prozessen der kreativen Umnutzung von Freiflächen und Bestandsgebäuden auseinander. Die Transformation eines „vergessenen Ortes“ könne ein Mekka für Kreative aus der ganzen Welt werden, wie er am Beispiel des Geländes bei der alten Bechstein-Fabrik am Moritzplatz in Berlin illustriert. Hier sei aus einem privaten Raum ein öffentlicher geworden: Freiraum, Grün und urbane Gärten verbinden sich Krüger zufolge ganz natürlich mit den stadtgesellschaftlichen Bedürfnissen von Bildung, Soziokultur und Identifikation.
Nanni Grau von Hütten & Paläste Architekten, Berlin, stellte zu Beginn ihres Impulsvortrags heraus, dass man es dieser Tage mit einer neuen Nutzergeneration zu tun habe. Die Menschen möchten viel stärker an der Ausgestaltung ihres Wohnumfeldes teilhaben. Ihre Lebensformen verlangen dazu nach neuen Wohntypologien, die der Markt nicht bereitstelle. Wie beim CLRC House in Berlin stellen die Entwürfe ihres Büros die Nutzer und Bewohner in den Mittelpunkt und suchen auch bei den Finanzierungsmodellen mit genossenschaftlichen Ansätzen oder der Erbbaupacht nach neuen Möglichkeiten wie sich Lebensentwürfe der neuen Generation verwirklichen lassen.

In der gemeinsamen Schlussrunde macht sich Christiane Thalgott dafür stark, dass Städte nicht nur im Neubau von den Projektentwicklern Nutzungsmischungen verlangen: „Wenn es uns nicht gelingt im Bestand Mischungsregeln festzulegen, verlieren wir die Qualität der Städte“, plädiert sie nochmal eindringlich. Andreas Krüger sieht einen „heißen Herbst der Bodendiskussion“ in Berlin aufziehen und begreift in diesem Zusammenhang ein integriertes Landmanagement und ein Rückgriff auf das Erbbaurecht als Chancen, Fehlentwicklungen der Vergangenheit entgegenzusteuern. Für Jan Kehrberg können Städte nicht auf das Know-How von privaten Projektentwicklern verzichten, um allen Herausforderungen Herr zu werden. Gleichzeitig betont er, dass Boden kein Gut wie jedes andere sei, welches über den Markt geregelt werden solle: Die Ausweitung des Kommunalen Vorkaufrechts, unterstreicht Kehrberg, müsse in die Politik getragen werden. Zum Ende der Veranstaltung fasst Reiner Nagel die zentrale Erkenntnis dieses Baukultursalons in einer Formel zusammen: „Dichte braucht Mischung!“

 

Baukultursalons

Veranstalter

Bundesstiftung Baukultur

Termin

29.08.2018, 19.00 – 22.30 Uhr

Ort

Bar Kosmetiksalon Babette
Karl-Marx-Allee 36
10178 Berlin
Deutschland

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