Öffentliche Räume brauchen eine Lobby!

© Axel Clemens für die Bundesstiftung Baukultur
Die Teilnehmenden der Werkstatt diskutieren aktuelle Herausforderungen bei der Gestaltung öffentlicher Räume

Öffentliche Räume haben keine Lobby, sind aber für unsere Städte von zentraler Bedeutung – sie entscheiden über Lebensqualität, sozialen Zusammenhalt und sind die wichtigste kommunale Handlungsebene. Mit diesem Fazit hat am 21. und 22. März die Baukulturwerkstatt „Öffentliche Räume und Städtebau“ der Bundesstiftung Baukultur stattgefunden. Über die Rolle öffentlicher Räume in Bezug zur Stadtentwicklung haben an den beiden Tagen rund 120 Teilnehmerinnen und Teilnehmer in Weimar und Erfurt diskutiert.

Der Auftakt am 21. März mit Vorträgen zur IBA Thüringen und zum neuen Bauhaus-Museum fand in der Mensa der Bauhaus-Universität in Weimar statt. Der denkmalgeschützte Bau gilt als wichtiges Zeugnis der spätmodernen DDR-Architektur. Auf den Spuren des Bauhauses konnten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer bei einer Stadtführung wandeln – und dabei auch die Qualität der öffentlichen Räume in Weimar erfahren. Vom Hauptgebäude der Universität aus, dessen Außenanlagen derzeit umgestaltet werden, schloss sich eine Besichtigung der Siedlung am Horn an. Das Quartier entstand vor dem historischen Hintergrund einer gescheiterten Bauhaus-Siedlung oberhalb des Ilmparks. Mitte der 1990er-Jahre wurde die Konversion einer innerstädtischen Kaserne zu einem neuen Stadtquartier initiiert. Vor allem durch das Etablieren von zeitgemäßen, städtischen Wohnformen sollte die kompakte Stadt gestärkt und eine Alternative zum Bauen auf der grünen Wiese aufgezeigt werden. Aktuelle Entwicklungen des Bauhauses konnten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer am Ende der Führung nachvollziehen: am neuen Museumsareal rund um den Neubau des Bauhaus-Museums, in das die Architektin Prof. Heike Hanada der Gruppe einen exklusiven Einblick gewährte.

Die Abendveranstaltung im Theater Erfurt startete mit Impulsen und einer Podiumsdiskussion zum Thema Innenentwicklung. Deutlich wurde, dass eine Gesamtvision als Zielvorstellung eine maßgebliche Voraussetzung für gelungene Innenentwicklung darstellt. Sie kann als Leitlinie dienen, um alle Vorhaben daran auszurichten. Unbedingt notwendig sind dabei integrierte Entwicklungs- und Planungsprozesse.

Gute Beispiele aus ganz Deutschland zur Diskussion

Am zweiten Tag, dem Werkstatttag, boten sechs Impulsvorträge einen Einblick in Stadtentwicklungsprojekte aus ganz Deutschland, die durch ihre Freiraumqualität herausragen, darunter Heilbronn, Bremerhaven, München und Jena. An den anschließenden Werkstatttischen hatten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer Gelegenheit, mit den Referenten zu diskutieren und ihre eigenen Erfahrungen bei der Gestaltung öffentlicher Räume und neuer Quartiere einzubringen. Dabei ging es um die Freiraumgestaltung in Neubaugebieten, um die Bestandsentwicklung, um Dichte und Raum in der bestehenden Stadt sowie um die Gestaltung von Erdgeschosszonen, wo öffentlicher, halböffentlicher und privater Raum aufeinandertreffen.

Reiner Nagel schloss die Veranstaltung mit einem vorläufigen Fazit:

1.     Die Bedeutung öffentlicher Räume kann nicht hoch genug eingeschätzt werden: Sie schaffen wegeräumliche Beziehungen, Ruhezonen und Aufenthaltsorte für alle. Gleichzeitig erfüllen sie die Daueraufgabe des soziokulturellen Zusammenhalts, der Integration und der Meinungsbildung.

2.     Bei öffentlichen Räumen handelt es sich nicht nur um den „klassischen“ Platz in der Altstadt. Auch öffentliche Räume etwa in Großsiedlungen oder Verkehrsräume fallen unter den Begriff. Diese Diversität und die daraus resultierenden unterschiedlichen Qualitäten und Anforderungen müssen im Diskurs, aber vor allem auch in Planungs- und Entwicklungsprozessen unbedingt Beachtung finden.

3.     Städtebau schafft Stadtstrukturen, also langlebige Baukultur. Dieser Bedeutung und Verantwortung sollten sich die Akteure und Entscheider stets bewusst sein.

4.     Daraus ergibt sich für die Planung die Empfehlung, schon im Maßstab 1:1000 an Stadtentwicklungsprojekte heranzugehen und sie städtebaulich zu qualifizieren, um die Dimensionen und Auswirkungen bestmöglich erfassen zu können.

5.     In Zeiten, in denen Kommunen oft nicht mehr über eigene Grundstücke verfügen, stellen öffentliche Räume die wichtigste kommunale Handlungsebene in der Raumgestaltung dar. Mit vergleichsweise geringem Aufwand lässt sich großer Nutzen für die Stadtgesellschaft erzielen. Diese Möglichkeit, aber auch Verantwortung, sollte entsprechend wahrgenommen werden.

6.     Zur bestmöglichen Gestaltung öffentlicher Räume ist der fachliche Trialog zwingend: Stadtplaner, Landschaftsplaner und Verkehrsplaner müssen Hand in Hand arbeiten, um integrierte Entwicklungs- und Planungsprozesse anzustoßen. Bei der Arbeit mit Investoren ist der Dialog „auf Augenhöhe“ enorm wichtig, um ein Vertrauensverhältnis aufzubauen und eine Gesprächskultur zu etablieren.

7.     Öffentliche Räume sind immer auch das Resultat der sie umgebenden Bauten und Eigentumsverhältnisse. Daher ist auch die Mitwirkung Privater gefragt, wenn es um die Nutzbarmachung öffentlicher Räume für die Allgemeinheit gilt.

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