Mobilität der Zukunft

© Ulf Schaumlöffel
Gesprächsrunde mit (v.l.n.r.) Prof. Peter Eckart, HfG Offenbach / unit design (li.), Moderatorin Conny Czymoch, Reiner Nagel, Vorstandsvorsitzender Bundesstiftung Baukultur, und Prof. Stefan Rettich, Universität Kassel, Fachbereich Architektur, Stadtplanung, Landschaftsplanung

Die Bundesstiftung Baukultur hat in Kooperation mit dem Kasseler Architekturzentrum im Kulturbahnhof und dem BDA Hessen am 6. September den Baukulturdialog „Mobilität der Zukunft“ in der documenta-Halle in Kassel veranstaltet. Ziel des Baukulturdialogs war es, zu diskutieren, wie sich die veränderte Mobilität auf unsere gebaute Umwelt auswirkt und welche Strategien zu einer menschengerechten Gestaltung der Mobilität der Zukunft führen.

In seiner Einleitung stellte Reiner Nagel, Vorstandsvorsitzender der Bundesstiftung Baukultur, fest: „Wir müssen die einmalige Chance zum menschengerechten Umbau unserer Städte ergreifen: Allerorten werden neue Stadtumbaukonzepte erarbeitet, die die autogerechte Stadt rückbauen. Die Verkehrswende ist jetzt nötig und auch möglich.“ Der Verkehr müsse von den Öffentlichen Verkehrsmitteln her gedacht werden, nicht vom Auto, sagte Nagel und verwies auf Oslo, wo die Innenstadt so gut wie autofrei ist.

„Die rund 49 Millionen PKW hierzulande beanspruchen sehr viel Fläche – und das zumeist im öffentlichen Raum. Selbstverständlich ist Mobilität heute ohne das Auto nicht denkbar. Es geht um einen vernünftigeren Umgang und die Rückgewinnung lebenswerten Stadtraums“, ergänzte Barbara Ettinger-Brinckmann.

Burkhard Horn, Mobilität & Verkehr – Strategie & Planung, stellte in seinem Vortrag fest, dass wir noch weit entfernt von einem gesellschaftlichen Konsens in Bezug auf eine Mobilitäts- und Verkehrswende seien. Das spiegele sich in der Durchführung von Projekten: Erfolgreich gelängen diese nur, wenn Konsens auf Bundes- und Landeseben herrsche. Als gute Beispiele für eine neue Mobilität stellte Horn u.a. die Regiotram Kassel vor, die bis zu 50 Kilometer aus der Stadt herausfährt und so auch Orte im Speckgürtel an die City anbindet. Zudem verwies er auf shared space-Konzepte, bei denen sich Auto- und Fahrradfahrer, Fußgänger und weitere Verkehrsteilnehmer den Raum teilen.

Den Stand der Planungen zur B1-Stadtachse in Dortmund stellte Otto Schließler von B1 Dortmund plus vor. Die Initiative setzt sich nach eigenen Angaben seit 2016 kritisch und konstruktiv mit der Entwicklung der verkehrlich wichtigsten und historisch wie städtebaulich bedeutendsten Stadtachse B1/A40 auseinander. Schließler erläuterte die Herausforderungen, die im Umbau der Magistralen entstehen, was etwa die Gestaltung und Berücksichtigung vorhandener Strukturen angeht, aber auch die Zusammenarbeit zwischen Kommune und Land.

Peter Bischoff, shp Ingenieure, sprach über die fußgängergerechte Umgestaltung der Goethestraße und Friedrich-Ebert-Straße in Kassel. Er verdeutlichte, dass gute Lösungen Zeit für Planungsprozesse und Beteiligungsverfahren brauchen. Notwendig sei auch die disziplinenübergreifende Zusammenarbeit. Bischoff empfahl, Nahmobilität in den Städten zu fördern – Tempo 30 schaffe Gestaltungsräume für alle und ermögliche eine Mehrfachnutzung des Straßenraums.

Ingo Kucz von White Octopus befasst sich mit dem Design von Mobilitätsräumen. Er stellte die Visionen der Autohersteller denen der Baukultur entgegen. Im öffentlichen Raum abgeschottet in einem autonom fahrenden Vehikel zu sitzen ohne Beziehung zum Außen sei nicht das Ansinnen von Baukultur, so Kucz. Mit Blick auf die hohe Anzahl an Dienstwagen in Deutschland fordert Kucz, dass betriebliche Mobilitätsbudget gefördert werden sollten, um andere Fortbewegungsarten attraktiver zu machen. Dabei müsse es nicht um die neusten Technologien gehen: „Vertrauen Sie auf low-tech-Lösungen!“ unterstrich Kucz.

Wie die Attraktivität des ÖPNV durch baulich-künstlerische Maßnahmen gesteigert werden kann, zeigte Jochen Schuh von Netzwerkarchitekten anhand der Wehrhahn-Linie in Düsseldorf. Sechs U-Bahnhöfe der Linie wurden von Absolventen der dortigen Kunstakademie gestaltet. Laut Schuh zeichnet die Bahnhöfe zudem eine gute Einsehbarkeit aus. Das Konzept erzeuge Sicherheitsgefühl durch soziale Kontrollmöglichkeit – und tatsächlich gebe es weniger Vandalismus als in anderen U-Bahnhöfen.

Im Anschluss an die Veranstaltung fand eine Führung durch die Ausstellung „FahrRad“ des Deutschen Architekturmuseums statt, die aktuell in der documenta-Halle gastiert. Die Ausstellung zeigt, wie eine Stadtentwicklung aussehen kann, die in Zukunft noch mehr Menschen auf das Rad lockt – und wirbt mit Projekten aus aller Welt für diese sanfte Rückeroberung der Stadt.

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