„Handwerkliche Qualität hat Seele“

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Podiumsdiskussion "Moderne, Handwerk, Zukunft" (v.l.n.r.): Ulrich Wiegand, Geschäftsführer der Handwerkskammer Berlin, Reiner Nagel, Vorstandsvorsitzender der Bundesstiftung BAukultur, Felix Pakleppa, Hauptgeschäftsführer des Zentralverbandes Deutsches Baugewerbe, Gunther Adler, Kuratoriumsmitglied des White City Center Tel Aviv, Barabara Schmidt, Leiterin der Arbeitsgemeinschaft der Gestaltakademien im Handwerk, Moderator Gerald Meyer (Wirtschaftsjournalist, rbb)

Im Bauhausjahr hat die Bundesstiftung Baukultur gemeinsam mit dem Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH) am 29. August den öffentlichen Baukulturdialog „Handwerk und Baukultur“ veranstaltet. Dabei wurde die Rolle des Handwerks für die Entstehung und den Erfolg der Bauhausbewegung beleuchtet und die Bedeutung handwerklicher Qualität für die Baukultur heute und in der Zukunft herausgestellt.                

„Allem Leben, allem Tun, aller Kunst muss das Handwerk vorausgehen“, mit diesem Zitat Johann Wolfgang von Goethes begrüßte Holger Schwannecke, Generalsekretär des ZDH, die Gäste im Meistersaal des Zentralverbands des Deutschen Handwerks in der Mohrenstraße in Berlin. Er erinnerte im Rahmen des Bauhaus-Jahres daran, dass auch Walter Gropius im Bauhaus-Manifest 1919 aufforderte: „Architekten, Bildhauer, Maler, wir alle müssen zum Handwerk zurück!“ Und auch heute sei handwerkliche Qualität unabdingbar für Baukultur, unterstrich Schwannecke.

In Vertretung für Staatssekretärin Anne Katrin Bohle begrüßte Gabriele Kautz, Referatsleiterin im Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat, die Gäste. Sie sagte, dass die Baukulturdialoge der Bundesstiftung den kommunikativen Aspekt des Planens und Bauens hervorheben: „Damit tragen sie zur interdisziplinären Verständigung und Vernetzung aller am Planen und Bauen Beteiligten bei."

Reiner Nagel, Vorstandsvorsitzender der Bundesstiftung Baukultur, stellte in seiner Begrüßung fest: „Handwerkliche Qualität hat Seele.“ Und Häuser mit Seele brauche es, um eine lebenswerte Umwelt zu schaffen, in denen sich die Menschen gerne aufhalten und wohlfühlen.

„Wie viel Handwerk steckt im Bauhaus?“ fragte Monika Markgraf, wissenschaftliche Mitarbeiterin Bauforschung und Denkmalpflege bei der Stiftung Bauhaus Dessau in Ihrem Vortrag. Sie erinnerte daran, dass die handwerkliche Ausbildung am Staatlichen Bauhaus das Fundament des Studiums darstellte. Die Werkstätten wurden jeweils von einem Formmeister (Architekt, Maler oder Bildhauer) und einem Werkmeister (Handwerksmeister) geführt. Markgraf erläuterte, wie das Bauhaus Handwerk und Industrie zusammenbrachte, etwa durch die serielle Produktion von Prototypen (z.B. Lampen) oder auch durch die Kombination industriell gefertigter Gebäudeteile mit handwerklichen Techniken.

Welche Rolle die Gestaltung in der beruflichen Handwerksausbildung in Deutschland hatte und hat, beleuchtete Dr. Petronella Prottung. Sie leitet die Akademie für Handwerksdesign bei der Handwerkskammer Aachen. Prottung führte aus, dass mit der Bildungsreform in den 1960er-/70er-Jahren Handwerker keinen Zugang mehr zu gestalterischen Studiengängen hatten. Damals waren die Werkkunstschulen in die neu geschaffenen Fachhochschulen integriert worden. Auf Initiative des ZDH wurden in den 80er-Jahren dann Gestaltungsakademien für Handwerker eingerichtet, die seitdem das Studium „GestalterIn im Handwerk“ anbieten.

Ein solches Studium absolvierte Emmanuel Heringer, Zimmerer und Flechtwerkgestalter, der seine Arbeit beim Baukulturdialog vorstellte. Heringer ist seit 2009 selbständig mit seiner Firma „Geflecht und Raum“ und hat für seine handwerklich-künstlerischen Arbeiten bereits mehrere Preise und ein Stipendium der Deutschen Akademie Rom Villa Massimo erhalten.

Aus der Praxis der Steinrestaurierung berichtete Tobias Neubert, der einen Meisterbetrieb im Steinmetz- und Steinbildhauerhandwerk in Halsbrücke/Sachsen führt. Neubert schloss die Fortbildung „Restaurator im Handwerk“ ab, die Handwerkern in aktuell 15 Gewerken die Möglichkeit zur Spezialisierung bietet.

Welche Möglichkeiten bestehen, um Lehrlinge möglichst früh für berufliche Vertiefungsrichtungen zu sensibilisieren, erläuterte Barbara Schmidt, Leiterin der Akademie für Gestaltung + Design der Handwerkskammer München/Oberbayern. Die zweiwöchige überbetriebliche Lehrlingsunterweisung für Denkmalpflege und Metallgestaltung ermöglicht Einblicke in historische Zusammenhänge, umfasst aber auch praktische gestalterische Aufgaben und Übungen.

Gunther Adler, ehem. Bau-Staatssekretär und Kuratoriumsmitglied des White City Center Tel Aviv sprach über den handwerklichen Wissenstransfer und Denkmalpflege zwischen Deutschland und Israel. Wie Adler erläuterte, unterstützt das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat (BMI) mit dem Projekt „Zentrum Weiße Stadt Tel Aviv“ den Aufbau eines Zentrums für denkmalgerechtes Bauen und Sanieren. Damit unterstreiche man die gemeinsame historische und baukulturelle Bedeutung der Weißen Stadt für Deutschland und Israel. Die Stadt Tel Aviv hat dem bilateralen Projekt das Max-Liebling-Haus zur Verfügung gestellt. Dieses wurde 1936 nach Entwürfen des Architekten Dov Karmi von Max und Tony Liebling gebaut.

Über Baukultur im deutschen Bauhandwerk sprach Felix Pakleppa, Hauptgeschäftsführer des Zentralverbandes Deutsches Baugewerbe. Das Schlusswort übernahm Dr. Peter Weiß, Leiter der Abteilung Gewerbeförderung des ZDH.

Fazit

- Baukultur braucht qualitätsorientiertes Handwerk. Basis dafür ist eine exzellente berufliche Bildung mit Karrierewegen bis zum Meister und Inhaber.

- Die Arbeit von Handwerkern braucht mehr gesellschaftliche Wertschätzung und Anerkennung. Nur so kann die handwerkliche Ausbildung einen Imagewechsel erfahren, um für junge Menschen eine Alternative zur akademischen Laufbahn zu werden.

- Wertschätzung muss sich auch in der Bildungsförderung niederschlagen - und zwar auf allen Ebenen, vom Nahverkehrsticket bis zum Meisterbonus.

- Eine dauerhafte institutionelle Förderung von Weiterbildungsträgern wie Akademien für Gestaltung im Handwerk ist wünschenswert. Die Spezialisierung auf Design oder Restaurierung im Handwerk sollte mit der akademischen Ausbildung gleichwertig anerkannt sein und vergleichbar auch in den Gebühren.

- Außerdem wird ein Mobilitätsergänzungsprogramm für beruflich Gebildete vorgeschlagen, welches die Lücken in bestehenden Programmen schließt und insbesondere auch Zuschüsse zu Teilnahme- und Prüfungsgebühren an renommierten internationalen Berufsbildungszentren für Denkmalpflege und Gestaltung abdeckt.

 

Mehr Fotos der Veranstaltung finden Sie unter dem Reiter "Dokumentation" auf dieser Seite: Baukulturdialog "Handwerk und Baukultur"

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