Baukulturdialog in Velten am 28.10.2020

© Erik-Jan Ouwerkerk

Der kleinstädtische und ländliche Raum steht vor großen Herausforderungen. Bei der Bewältigung der anstehenden Aufgaben ist Baukultur ein zentraler Schlüssel beim Weiterbau von lebenswerten, nachhaltigen, kompakten Städten und Dörfern. Dies bewies der Baukulturdialog Brandenburg am 28. Oktober 2020 im Ofen- und Keramikmuseum / Hedwig Bollhagen Museum in Velten mit der Vorstellung vieler guter Ansätze und Projektbeispiele sowie engagierter Akteure vor Ort. Die Veranstaltung war eine gelungene Kooperation der Bundesstiftung Baukultur mit der Deutschen Bundesstiftung Umwelt und der Baukulturinitiative Brandenburg.

Zum Auftakt des Baukulturdialogs in Brandenburg begrüßte Reiner Nagel, Vorstandsvorsitzender der Bundesstiftung Baukultur die Gäste und Rednerinnen und Redner, bevor im Anschluss Ines Hübner, Bürgermeisterin der Stadt Velten, in Ihrer Präsentation einen Einblick in die Baukultur-Geschichte des Veranstaltungsortes als Ton- und Keramikstandort gab.
Frau Elfie Heesch, Abteilungsleiterin im Ministerium für Infrastruktur und Landesplanung begrüßte im Anschluss im Namen der Landesregierung Brandenburg und überbrachte herzliche Grüße des Ministers Beermann, der kurzfristig leider verhindert war.

Am Beispiel seines Projekts in der Stadt Demmin stellte der Architekt Peter Haimerl die Potenziale vor, die Architektur ländlichen Räumen eröffnet. Um einen Mehrwert für kleinere Orte und Gemeinden zu schaffen, empfahl er dezidiert Architektur und Baukultur als Standortfaktoren wahrzunehmen und im Verbund mit zeitgenössischen Architekten die Orte konsequent weiterzubauen.

Wie aus einem Donut wieder ein Krapfen wird, wurde im Vortrag von Caren Ohrhallinger vom Architekturbüro nonconform deutlich. Ihre Formel, um die Ortsmitte wiederzubeleben, lautet: Leidensdruck, Vision und die ersten kleinen Schritte müssen zusammen größer sein, als der entgegengebrachte Widerstand. Ihr Maßnahmenkatalog beinhaltet dabei drei Schritte: die konsequente Umsetzung der Innen- vor der Außenentwicklung, die Entwicklung innovativer Konzepte für die Mitte sowie die Einsetzung eines »Kümmerers«. Dieser bündelt die anstehenden Aufgaben und übernimmt die Umsetzung des gemeinsam entwickelten Konzepts.

Torsten Pötzsch, Nationalpreisgewinner 2020 und Oberbürgermeister von Weißwasser /O.L. zeigte auf, inwiefern Baukultur als Standortfaktor, die Ansiedlung von Betrieben begünstigen und den Wegzug der jüngeren Generationen verhindern kann. Auch die Belebung von (Kultur-) Geschichte und deren Sichtbarmachung durch Führungen und anderer touristischer Aktivitäten tragen zur Attraktivierung und überregionalen Sichtbarmachung der Kommunen bei.

Als Impuls aus dem Land Brandenburg bereicherte Elisabeth Herzog-von der Heide, Bürgermeisterin der Stadt Luckenwalde die Diskussion mit Ihrem Vortrag über die Innenentwicklung und Umbaukultur in ihrer Kommune. Hier wurde deutlich, dass sich ein kontinuierlicher, persönlicher Einsatz für Baukultur bezahlt macht: So wurde bei kommunalen Bauvorhaben konsequent auf die Durchführung von Wettbewerben gesetzt. Zudem wurde die Ertüchtigung und Umnutzung bestehender Gebäude sowie eine maßvolle, baukulturell ambitionierte Nachverdichtungsstrategie verfolgt.

Abschließend stellte Patrick Zamojski, Projektleiter der 2020 gGmbH, eine Gesellschaft des Architekten- und Ingenieurvereins zu Berlin-Brandenburg e.V. (AIV), in seinem Impulsvortrag die Ergebnisse des Internationalen Städtebaulichen Ideenwettbewerbs Berlin- Brandenburg 2070 vor. Hier weitete sich nochmals Blick auf die Hauptstadtregion in Gänze und die Chancen der Kooperation der beiden Bundesländer Berlin und Brandenburg im Rahmen einer gemeinsamen Planung wurden deutlich.

Beim anschließenden World-Café-Format wechselten die Besucherinnen und Besucher zwischen den drei Diskussionsgruppen:

1) Prozesse für die Mitte (Frau Ohrhallinger)
Bei den Workshops zur Reaktivierung der Mitte ist ein ergebnisoffener Prozess (z.B. in Form von Stadtspaziergängen, Bürgerabenden, Besuchen in Schulen) und eine Begleitung dieses Prozesses wichtig. Um Veränderung zu erwirken ist es hilfreich, Konflikte und Konfliktpotential sichtbar zu machen und Best-Practice-Beispiele als mögliche Lösungen aufzuzeigen. Anschließend können Ideen und Erkenntnisse zusammengeführt werden. Bürgerinnen und Bürger werden durch Aktionen im öffentlichen Raum, die Zusammenarbeit mit lokalen Organisationen sowie Beteiligungsfeste aktiviert, sich am Prozess zu beteiligen.
Eine der größten Herausforderungen, die bewältigt werden muss, ist das Finden eine/s Kümmerers, der sich mit Leidenschaft diesem zeitintensiven Prozess widmet.

2) Stadt als Geschichte (Herr Pötzsch)
Herr Pötzsch empfiehlt aus seiner Erfahrung in Weißwasser O.L., lokale Denkmalwerte aufzuzeigen, neue Nutzungen für Bestandsgebäude zu finden und auch Jugendliche in die Nutzungsentscheidungen miteinzubinden. Eine wichtige Voraussetzung ist seiner Meinung nach die Aktivierung einer kritischen Masse vor Ort, die etwas bewegen möchte, eine gute Vernetzung innerhalb der Kommune sowie eine funktionierende und engagierte Verwaltung. Unabdingbar ist zudem der Blick von Außen, das Vorhandensein einer sozialen und kulturellen Infrastruktur sowie die Vermittlung von Baukultur durch Geschichte. Auch kann der Strukturwandel als Chance genutzt werden, um regionale Stärken und Potentiale zu erkennen und zu einem Leitbild zusammenzufassen. Die Vermarktung der geschaffenen Leuchttürme stellt den abschließenden Schritt dar.  

3) Baukultur für Brandenburg (Frau Hübner, Frau Herzog-von der Heide)
Die beiden Bürgermeisterinnen aus Velten und Luckenwalde zeigten sich davon überzeugt, dass es wichtig sei, sich von den Erwartungen aus der Vergangenheit zu trennen – denn erst die Offenheit für Neues bringe ansprechende Baukultur hervor. Neben den bereits genannten Aspekten wie eines Kümmerers und der breiten Kommunikation aller Akteure, verwiesen die beiden Bürgermeisterinnen auch auf den wichtigen Punkt, wie man es schaffe, die Jugend vor Ort in den Kommunen zu halten. Die genannten Lösungsansätze waren u.a. spannende Veranstaltungen, die Schaffung von Co-Working Spaces, attraktive Mobilitätsangebote und Fokus auf Klimafreundlichkeit. Baukultur und Geschichte kann mit Hilfe von Führungen und Rundgängen für die lokale Gemeinschaft sowie Touristinnen und Touristen erlebbar gemacht werden. Sie huben hervor, wie wichtig die Wertschätzung von außen sowie der Bezug von Fördermitteln für die Baukultur vor Ort ist.

Insgesamt zeigte der Baukulturdialog „Baukultur vor Ort. Baukulturdialog Brandenburg“ zahlreiche Ansätze und Möglichkeiten, wie baukulturelles Engagement die Entwicklung kleinerer Städte und Gemeinden positiv beeinflussen kann und wie die Orte im Hinblick auf eine nachhaltige, kompakte und zukunftssichere Struktur weitergebaut werden können.

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