Heilbronn

Durch Freiraum zur strategischen Stadtentwicklung

© Andreas Meichsner
© Andreas Meichsner
© Andreas Meichsner

Als sich die Stadt Heilbronn 2007 zur Ausrichtung der Bundesgartenschau (Buga) 2019 entschloss, war bereits klar, dass man mehr als eine einmalige Großveranstaltung für Gartenfreunde wollte. Vielmehr sollte im innenstadtnahen Neckarbogen auf aufgegebenen Flächen des Binnenhafens ein neues Stück Stadt mit Bezug zum Fluss und zu neuen Grünräumen entstehen. Dazu hatte die Stadt schon das Fruchtschuppenareal auf der Rückseite des Hauptbahnhofs von der Bahn erworben. 2009 folgten ein städtebaulicher Wettbewerb, den Steidle Architekten gewannen und auf dessen Basis 2011 ein Realisierungswettbewerb mit den Büros SINAI und Machleidt als Sieger folgte.

Zwei in den 1930er-Jahren zugeschüttete Hafenbecken wurden als „Karlssee“ und „Floßhafen“ nachempfunden. Um den Floßhafen herum sind drei bandartige Areale für die Bebauung vorgesehen, von denen das östliche als bewohnte „Stadtausstellung“ bereits Teil der Buga war. Der westliche Streifen erhielt für die Zeit der Buga ein Meer aus Rasenwellen, das vom Büro Loma digital modelliert und von GPS-gesteuerten Baggern automatisiert geformt wurde. Auf dem südlichen Teilbereich waren thematische Garten- kabinette erlebbar. Die übrigen Grünflächen werden, ebenso wie die Seen, über die Buga hinaus erhalten bleiben. Dazu gehören das Neckarufer, das nach der Verlegung einer Bundesstraße in das Gewerbegebiet am Ostufer begrünt werden konnte, sowie der Hafenpark, der vom aktiven Industriebetrieb am dahinter gelegenen Neckarkanal durch einen Wall aus dem nicht kontaminierten Abraum der Bodensanierung abgeschirmt wird.

Mit den 23 Gebäuden der Stadtausstellung wird erstmals eine Buga zur Bauausstellung. Die Grundstücksvergabe erfolgte 2015 nach dem Konzeptverfahren zum gutachterlich bestimmten Festpreis, wobei sich Investoren auf beliebig viele Felder bewerben konnten. Jedoch durfte jedes Architekturbüro maximal zwei Häuser planen, die zudem nichtnebeneinander liegen konnten. Über die Projektauswahl entschied eine Jury, die im weiteren Verlauf als Baukommission verstetigt wurde und die Bauberatung mit übernahm.

Im Blick hatte man dabei nicht nur die Architektur der Einzelbauten, sondern auch bauliche Innovationen (Konstruktionsweise, Materialien, Energiekonzept) sowie einen funktionierenden Nutzungsmix für ein städtisches Quartier mit 800 Bewohnern. Bis zur Baugenehmigung erfolgte kein Verkauf, sondern nur eine Anhandvergabe.

Entstanden sind nicht nur Deutschlands höchstes Holzhaus, sondern auch zwei Baugruppenhäuser, ein städtisches Kinderhaus mit Kita und Wohnungen für Alleinerziehende, betreutes Wohnen, ein Inklusionsprojekt, Studentenappartements und ein Boarding House, aber auch Eigentumswohnungen. Mietwohnungen machen insgesamt etwa die Hälfte aus, wobei 30 Prozent gefördert sind. Hinzu kommen ein Waschsalon, Gastronomie, ein Gemeinschaftsraum und Gewerberäume im Erdgeschoss, die während der Buga als Ausstellungsflächen genutzt wurden.

Dass ein ganzer Stadtteil nur drei Jahre nach der Ausschreibung fertiggestellt werden konnte, ist nur zum Teil mit dem Termindruck durch das Großereignis zu erklären. Für strukturierte, kurze Entscheidungswege sorgte vor allem die Projektsteuerung durch die Buga-Gesellschaft, die Architekten, Investoren und Verwaltung bei Planungsrunden stets an einen Tisch brachte. Ihre Rolle als Leiterin, Moderatorin und Konfliktlöserin behielt sie bis zur Leistungsphase 8 bei. Weitgehend reibungslos konnte die Umsetzung außerdem erfolgen, weil seit 2009 die sogenannte Leistungsphase Null betrieben wurde: So war die Idee der Buga mit Ideenwettbewerben, Geländeführungen, Vorträgen, Broschüren und einer Infobox bereits weit in die Bevölkerung hineingetragen worden. Für Heilbronn hat die Buga nicht nur mediale Aufmerksamkeit und einen Prestigegewinn gebracht, sondern als Motor der Stadtentwicklung neue Kräfte freigesetzt. Die zwei weiteren Baufelder sollen schon bald nach dem bewährten Modell vergeben werden.

Planungszeitraum 2003–2018
Planungsbeteiligte steidle architekten, München; SINAI, Berlin; diverse Architekturbüros mit Einzelgebäuden
Größe / Fläche 32 ha
Baukosten brutto 189,5 Mio. Euro
Nutzungen Wohnen
Freiraum
Stadtplanung
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