Baukulturwerkstatt in Lübeck 2025

Wohnen neu denken!

Wohnungsknappheit, notwendige ressourcenschonende und klimagerechte Planungs- und Bauweisen sowie Synergieeffekte durch gemeinwohlorientierte Wohntypologien des Zusammenlebens im Kontext gesellschaftlicher und infrastruktureller Transformation: Diese und weitere Themen, wie Wohnen neu gedacht werden kann, stehen im Mittelpunkt der Baukulturwerkstatt in Lübeck. In einer offenen Dialogrunde zwischen regionalen und überregionalen Akteuren und Akteurinnen aus Verwaltung, Projektentwicklung, Planung und Lehre sollen zukunftsfähige Modelle des neuen Wohnens im Austausch mit dem Publikum diskutiert werden. 

Die Baukulturwerkstatt „Wohnen neu denken!“ findet in Kooperation mit der Technischen Hochschule Lübeck, der Arbeitsgemeinschaft für zeitgemäßes Bauen e.V., dem ArchitekturForum Lübeck e.V. und dem BDA Schleswig-Holstein statt.

Die Baukulturwerkstätten sind das zentrale Veranstaltungsformat der Bundesstiftung. Mit Impulsvorträgen, beispielgebenden Projekten und Diskussionen bietet die Stiftung eine Plattform, auf der übertragbare Lösungsansätze vermittelt und diskutiert werden. Die Baukulturwerkstätten 2025 finden in Bezug auf den Baukulturbericht 2026/27 statt. 

Programm

Donnerstag, 5. Juni 2025

Moderation: Leonie Ederer, Bundesstiftung Baukultur, Potsdam

13 UhrStadtrundgang (optional) - Treffpunkt Übergangshaus
15 UhrEintreffen am Veranstaltungsort
15.30 Uhr

Begrüßung

Joanna Hagen, Bausenatorin, Hansestadt Lübeck 

Reiner Nagel, Vorstandsvorsitzender, Bundesstiftung Baukultur

15.45 Uhr

Einführung ins Thema

Reiner Nagel, Vorstandsvorsitzender, Bundesstiftung Baukultur

16 Uhr

Neuausrichtung des Wohnens? Dynamisierende Faktoren und Trägheitsmomente im Widerstreit

Prof. Dr. Marcus Menzl, Studiengangsleiter Stadtplanung, Fachbereich Bauwesen, TH Lübeck

16.20 Uhr

Einfach bauen – Komfort und Anpassung in den Forschungshäusern in Bad Aibling

Prof. Dr. Anne Niemann, (Vertretungs-)Professorin für Entwerfen und Holzbau, Fakultät für Innenarchitektur, Architektur und Design, TH Rosenheim 

16.40 Uhr

Regelstandard Erleichtertes Bauen – auf dem Weg in die Praxis

Prof. Dietmar Walberg, Geschäftsführer, Arbeitsgemeinschaft für zeitgemäßes Bauen e.V., Kiel 

17 Uhr

Modelle für gemeinschaftliches Wohnen 

Rainer Steffens, Meyer Steffens Architekten und Stadtplaner BDA / Landesvorsitzender BDA Schleswig-Holstein 

17.20 UhrKaffeepause
17.30 Uhr

Dialogrunde: Blick hinter die Kulissen

offene Diskussion der Referierenden sowie weiteren Gästen mit dem Publikum

Prof. Dr. Marcus Menzl, Studiengangsleiter Stadtplanung, Fachbereich Bauwesen, TH Lübeck
Prof. Dietmar Walberg, Geschäftsführer, Arbeitsgemeinschaft für zeitgemäßes Bauen e.V., Kiel 
Inga Mueller-Haagen, Vorsitzende, ArchitekturForumLübeck e.V. 
Joanna Hagen, Bausenatorin, Hansestadt Lübeck
Prof. Dr. Anne Niemann, (Vertretungs-)Professorin für Entwerfen und Holzbau, Fakultät für Innenarchitektur, Architektur und Design, TH Rosenheim  
Rainer Steffens, Meyer Steffens Architekten und Stadtplaner, Lübeck
Jan O. Schulz, Geschäftsführer, BSP Architekten BDA Kiel
Prof. Sebastian Fiedler, Dekan Fachbereich Bauwesen, TH Lübeck 
Doris Elisabeth Grondke, Stadträtin, Landeshauptstadt Kiel 
Michael Halstenberg, Abteilungsleiter, VHV Versicherungen, Hannover
Robert Höricht, Managing Director Technical Services, FRANK Immobilien und Lebensformate mbH, Hamburg 
Klaus-H. Petersen, Geschäftsführer, ppp architekten + stadtplaner gmbh, Lübeck
Fabian Viehrig, Leiter Bauen und Technik, GdW Bundesverband deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen e.V. , Berlin 

Gesprächsleitung: Reiner Nagel, Vorstandsvorsitzender, Bundesstiftung Baukultur

19.45 UhrZusammenfassung und Ausblick
20 UhrAusklang mit Snacks und Getränken
21.30 UhrEnde der Veranstaltung

 

 

Dokumentation

Wohnen neu denken – Ergebnisse der Baukulturwerkstatt Lübeck

Wege aus der Wohnraummisere war eines der Themen bei der Baukulturwerkstatt am 5. Juni im Lübecker „Übergangshaus“. Die 140 Teilnehmenden diskutierten über Möglichkeiten zur Vereinfachung, Beschleunigung und Kostensenkung beim Wohnungsbau ebenso wie über die möglichen Folgen für die Baukultur. Themen waren aber auch Alternativen zum Neubau und neue Wohnformen. 

Es war bereits die zweite Baukulturwerkstatt in Vorbereitung für den kommenden Baukulturbericht 2026/27 zum Thema „Gestaltung“. Sie wurde diesmal durchgeführt in Kooperation mit der Technischen Hochschule Lübeck, der Arbeitsgemeinschaft für zeitgemäßes Bauen e.V., dem Architekturforum Lübeck e.V. und dem BDA Schleswig-Holstein. Die Ergebnisse der Veranstaltung fließen ebenso in den Baukulturbericht ein wie das thematisch verwandte Fachgespräch, das unmittelbar vorher an der Hochschule stattgefunden hatte. 

In beiden Formaten ging es schwerpunktmäßig um die aktuell politisch intensiv diskutierte Frage, wie der Wohnungsbau beschleunigt werden kann – aber auch darum, was das aus Sicht der Baukultur bedeutet. „Bessere Qualität rechnet sich besser“, formuliert Reiner Nagel, Vorstandsvorsitzender der Bundesstiftung Baukultur als Grundgedanken während der Baukulturwerkstatt und plädierte wie mehrere Teilnehmende dafür, bei allem Wohnraumbedarf jetzt nicht überall Wohnungen zu bauen, ohne auf Qualität, Langlebigkeit und lokale Notwendigkeiten zu achten. 

Nach einer kurzen thematischen Einführung und Begrüßungsworten durch Reiner Nagel und Joanna Hagen, Bausenatorin der Hansestadt Lübeck sprach Prof. Dr. Marcus Menzl, vom Fachbereich Bauwesen der TH Lübeck im ersten von vier Vorträgen über „Dynamisierende Faktoren und Trägheitsmomente im Widerstreit“. Zu den dynamisierenden Faktoren zählte er unter anderem den Handlungsdruck aufgrund von Klimawandel und globaler Krisen sowie die Individualisierung der Lebensentwürfe und Wohnwünsche. Als Trägheitsmomente führte Menzl die Angebotsstruktur an, die Beharrungskräfte der Nutzenden und die Vielzahl an Partikularinteressen. Aus seiner Analyse zog er die Schlussfolgerung, dass vermeintliche Selbstverständlichkeiten in Bezug auf Wachstum, Beteiligung, Eigentum, Individualität, Angemessenheit und Planungsroutinen hinterfragt werden müssten und er warb für mehr Vertrauen in die „dezentrale Kreativität“ vor Ort und eine neue Kultur des Stadtmachens.

Prof. Dr. Anne Niemann, (Vertretungs-)Professorin an der Fakultät für Innenarchitektur, Architektur und Design an der TH Rosenheims stellte in ihrem Vortrag „Einfach bauen – Komfort und Anpassung in den Forschungshäusern in Bad Aibling“ einige Ergebnisse des von ihr mitbetreuten Projekts vor. Sie stellte ein Zitat von Architekt Florian Nagler voran, der die vier Häuser entworfen hatte: „Unsere mitteleuropäischen Ansprüche sind allgemein einfach zu hoch“. Die Forschungshäuser sind alle bewohnt und die Bewohnenden werden regelmäßig befragt. Zu den Erkenntnissen zählt, dass die Nutzerzufriedenheit trotz „einfacher“ Standards hoch ist und z.B. teure Keller durch einen günstigeren Schuppen ersetzt werden können oder Räume mit hohen Decken kreativ angeeignet werden. 

Einfach zu bauen, günstig, schön und gut bewohnbar ist also möglich und bestätigt die These im Vortrag von Prof. Dietmar Walberg, Geschäftsführer der Arbeitsgemeinschaft für zeitgemäßes Bauen in Kiel: „Regelstandard Erleichtertes Bauen – auf dem Weg in die Praxis“. Er wies darauf hin, dass sich die Kostenentwicklung im Bauen komplett von der normalen Preisentwicklung entkoppelt habe und der technische Ausbau in den letzten 25 Jahren fünfmal teurer geworden sei. Nur die Reduktion von Standards könne kurzfristig Abhilfe schaffen. Die vier Leitsätze des einfachen und erleichterten Bauens müssten lauten: robust, instandhaltungsarm, bezahlbar, komponentenarm.

Im letzten Vortrag sprach Rainer Steffens, vom Büro Meyer Steffens Architekten und Stadtplaner in Lübeck und Landesvorsitzender des BDA Schleswig-Holstein über „Modelle für gemeinschaftliches Wohnen“ und stellte unter anderem den wesentlich von seinem Büro umgebauten Aegidienhof in Lübeck vor. Das Ensemble aus 12 historischen Häusern wurde von einer engagierten Baugemeinschaft ohne Großinvestoren getragen und seit seiner Fertigstellung vor 25 Jahren mehrfach für seine soziale und ökologische Qualität ausgezeichnet.

In der anschließenden Dialogrunde diskutierte Reiner Nagel auf dem Podium mit der Senatorin und den Teilnehmenden des internen Fachgesprächs am Vormittag. An dem hatten neben den vier Vortragenden weitere Fachleute teilgenommen: Prof. Sebastian Fiedler (TH Lübeck), Inga Mueller-Haagen (ArchitekturForum Lübeck e.V.), Doris Elisabeth Grondke (Stadträtin, Kiel), Jan O. Schulz (BSP Architekten, Kiel), Michael Halstenberg (VHV Versicherungen, Hannover), Klaus-H. Petersen (ppp Architekten + stadtplaner gmbh, Lübeck), Fabian Viehrig (GdW Bundesverband, Berlin) und Robert Höricht (Frank Beteiligungsgesellschaft mbH, Hamburg). 

In dieser großen Runde wurde eine Vielzahl von Themen angesprochen. So ging es beispielsweise um die Verhältnismäßigkeit von Baunormen und Vorschriften. Reiner Nagel sprach von einem „Dilemma, dass jede Deregulierung und jeder Versuch, etwas besser zu machen zu bürokratischen Monstern führt.“ Michael Halstenberg befand, in der Verwaltung wolle niemand mehr Verantwortung übernehmen für Restrisiken. Klaus-H. Petersen bestätigte: „Stets wird der denkbare Worst Case zum Regelfall. Und macht das Planen aufwändiger.“

Viele Teilnehmende begrüßten daher grundsätzlich die politischen Vorhaben, das Bauen etwa mit dem Gebäudetyp E oder dem Hamburg Standard zu vereinfachen – äußerten aber auch Bedenken. Es gelte aufzupassen, nicht am Bedarf vorbei und den Leerstand von morgen zu bauen. So hieß es etwa: „Da wird mir Angst und Bange. Wir stapeln Wohnungen und hängen Balkone dran – aber wie sehen dann am Ende unsere Städte aus?“. Doris Grondke ergänzte: „Reflexhaft wird gesagt, wenn sparen, dann an der Gestaltung. Gut gestaltete Räume sind die Grundlage sozialen und wirtschaftlichen Handelns. Bei der Diskussion um kostengünstiges Bauen oder den Abbau von Regularien, habe ich Sorge, dass wir das aus den Augen verlieren.“   

Mit Blick auf Lübeck argumentierte Inga Mueller-Haagen: „Das Nachhaltigste ist das, was lange steht. Das hat viel mit Schönheit zu tun und mit Flexibilität, weil Flexibilität Resilienz bedeutet und Resilienz ist gleich Permanenz. Die Lübecker Altstadt-Insel als Ganzes ist das beste Beispiel dafür.“ Sie und andere Teilnehmende auf dem Podium lobten daher das Lübecker Gründungsviertel, das in der Altstadt als kritische Rekonstruktion neu entsteht und sich an der historischen Parzellenstruktur und giebelständigen Bebauung orientiert. Hier werden „Lübecks Perlen weitergebaut“. 

Unterhalb dieser „Perlen“-Ebene lässt sich ebenfalls gut, nachhaltig und dazu noch kostengünstig bauen, wie ein Wohnprojekt in Büdelsdorf zeigt, das ursprünglich für Geflüchtete geplant war, jetzt aber zur Hälfte auch von Nicht-Geflüchteten bewohnt wird. „Die Genossenschaft wollte keine Container bauen und nichts, dem man seinen Zweck ansieht und was man nach ein paar Jahren wegschmeißt“, so Jan O. Schulz über das 2015 mit dem Landespreis für Baukultur ausgezeichnete Projekt. Neben qualitätsvollem Neubau bietet auch die Sanierung von Bestandsbauten großes Potenzial wie Joanna Haagen sagte und dabei auf ein Sanierungsvorhaben der Lübecker Wohnungsbaugesellschaft verwies. Diese saniert mit seriell vorgefertigten Holzfassaden einfache Mehrfamilienhäuser aus den 1960er Jahren, die bautechnisch eigentlich am Ende ihrer Lebenszeit angelangt wären, nun aber weiterhin günstige Mietwohnungen bieten. 

 

Baukulturwerkstätten

Baukulturwerkstatt

Veranstalter

Bundesstiftung Baukultur

Termin

05.06.2025, 15.00 – 21.30 Uhr

Ort

Übergangshaus Lübeck
Königstraße 54
23552 Lübeck

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