Die Flutkatastrophe in Deutschland sorgte für eine Debatte rund um das Planen und Bauen als Handlungsebene. Was gilt es nun beim Wiederaufbau zerstörter Strukturen zu beachten? Und wie können künftig, durch kluges (um-)bauen, Schäden verhindert werden?
Eine widerstandsfähige Infrastruktur verlangt Planungen, die extreme Wettervorkommnisse einkalkulieren. In der Kommunalumfrage zum Baukulturbericht 2020/21 „Öffentliche Räume“ haben 72% der befragten Kommunen angegeben, bereits Hochwasserschutzanlagen geplant oder ertüchtigt zu haben. Es darf aber keine allein auf maximale Sicherheit ausgerichtete Zweckästhetik entstehen, sondern müssen vielmehr mit dem Notwendigen positive Zusatznutzen verbunden und baukulturell wertvolle Ergebnisse erzielt werden. Wie z.B. Hochwasserschutzanlagen oder Überflutungsgebiete, die gleichzeitig gut gestalteter öffentlicher Raum und somit ein Mehrwert für die Gesellschaft sind. Eine solche Baukultur entsteht vor allem dann, wenn Ingenieure, Siedlungswasserwirtschaft, Landschaftsplanung und Architektur ganzheitlich in die Planungen miteinbezogen und nicht wie so oft als separate Gestaltungs- und Handlungsfelder gesehen werden. Maßnahmen der Siedlungswasserwirtschaft können so baukulturell positive Effekte für die Siedlungsstruktur und das Ortsbild haben.
Die Bundesstiftung Baukultur plädiert für leistungsfähige und gut gestaltete Infrastrukturen wie Rückhalte- und Schwemmflächen, ein entsprechend der Klimaanpassung entwickeltes Flächen- und Wassermanagement, wie z.B. der Renaturierung von Flüssen sowie der gezielten Entsiegelung von häufig überdimensionierten Straßen- und Hofflächen, einer ressourcenschonenden sowie qualitätsvollen Bodennutzung sowie einem reduzierten Flächenverbrauch.
„Es fehlt immer noch an einem Problembewusstsein zur örtlich machbaren Flächeninanspruchnahme“, meint Reiner Nagel, Vorstandsvorsitzender der Bundesstiftung Baukultur. Eine kluge Innenentwicklung ist ein maßgeblicher Faktor, den Ort auch baulich zu stabilisieren: Durch Lückenschluss, Um- und Nachnutzung, Sanierung und Umbau wird nicht nur der Bestand wiederbelebt. Ein geringerer Flächenverbrauch sorgt auch dafür, dass mehr Flächen erhalten bleiben, in die das Wasser versickern kann. Die zerstörten Orte sollten deshalb einen städtebaulichen und baukulturellen Neuanfang wagen und nicht alles exakt da aufbauen, wo die Gefahren offensichtlich zu groß sind.
Aber auch zerstörte Straßen, Brücken und andere Infrastrukturbauten sollten nicht nur möglichst schnell, sondern auch in guter oder sogar besserer baulicher und ästhetischer Qualität als zuvor errichtet werden. Das beginnt bei der passenden Prozesskultur, z.B. dem Einbezug von interdisziplinären Teams aus Ingenieuren, Architekten und Stadt- und Landschaftsplanern und Anwohnern, und endet bei einer gelungenen Integration in die Landschaft und einer Gestalt- und Materialwahl, die dem Ort angemessen ist. Außerdem sollten die Standorte vor einem Wiederaufbau sorgfältig auf ihre Eignung geprüft werden, um einer möglichen künftigen Gefahr zu entgehen. In Risikogebieten sollte deshalb künftig, noch konsequenter als bisher, kein neuer Siedlungsbau mehr stattfinden.