Wie kann die Wertschöpfungskette Bau bürokratische Hemmnisse abbauen und den Weg für effektivere Planungs- und Bauprozesse ebnen? Diese Frage stand im Mittelpunkt des Pressegesprächs "Wege aus der Überregulierung im Bauwesen" von Bundesstiftung Baukultur und FVHF im Rahmen der BAU 2025 in München. Erste Antworten gab Dr. Rolf Bösinger, Staatssekretär im Bundesbauministerium, bereits in seinem Eingangsstatement.
Gemeinsam mit den Bundesländern habe das Bundesbauministerium eine Initiative gestartet mit dem Ziel, eine beim Bund verortete Geschäftsstelle für Baunormen einzurichten. Diese Geschäftsstelle solle Baunormen im Sinne einer Kosten-Nutzen-Analyse überprüfen und Vorschläge zur Vereinfachung oder auch Abschaffung von Baunormen unterbreiten. Eine stärkere Koordinierungsfunktion des Bundes kündigte Bösinger auch bei der Typengenehmigung für serielles Bauen an: Eine einmal in einem Bundesland erteilte Baugenehmigung für ein kostengünstig erstelltes Typenhaus soll auch bundesweit digital zur Verfügung stehen.
Baukultur und Investitionsbereitschaft
Zum Verhältnis von Normen und Qualität äußerte sich Reiner Nagel, Vorstandsvorsitzender der Bundesstiftung Baukultur. Baunormen seien ursprünglich geschaffen worden, um Qualität am Bau zu sichern. Mit derzeit mehr als 3.500 Baunormen seien sie jedoch zu einem Hemmschuh für die Gestaltungsfreiheit geworden. Er forderte, durch eine drastische Reduzierung der Baunormen wieder mehr Vertrauen in Planende und Bauausführende zu investieren, da diese fachlich kompetent und lösungsorientiert agierten. Hilfreich seien dabei baukulturelle Leitbilder, die Innovationsfreude und Kreativität fördern.
Für ein investitionsfreudiges Klima am Bau warb Gunther Adler, stellvertretender Hauptgeschäftsführer des Zentralen Immobilienausschusses ZIA. Normen und Gesetze müssten so optimiert werden, dass sie Investierende, Bauherrinnen und Bauherrn zu innovativem, nachhaltigem und wirtschaftlichem Bauen motivierten. Der ZIA fordert seit Jahren eine verbindliche Kosten-Nutzen-Analyse für Baunormen. Wichtig sei auch die Darstellung von Best- Practice-Beispielen, wie sie beispielsweise der FVHF mit dem Deutschen Fassadenpreis für VHF aufzeige.
Jan Peter Hinrichs, Geschäftsführer des Bundesverbandes energieeffiziente Gebäudehülle (BuVEG), verwies auf die rechtssichernde Funktion von Normen. Nicht alles, was normativ vermeintlich einfacher sei, schaffe auch Rechtssicherheit für die Planenden, warnte Hinrichs. Eine Ökobilanz beispielsweise sei keine triviale Angelegenheit. Letztlich dürfe eine Vereinfachung von Normen nicht zu einer Verschlechterung des erreichten Standards führen. Gleichwohl werde sich der BuVEG dafür einsetzen, dass die Zahl der Normen nicht weiter zunimmt, sondern auf ein zielführendes Maß reduziert werden kann.
Bausubstanz erhalten
Im Sinne des Klimaschutzes rückt der Erhalt der Bausubstanz immer mehr in den Fokus. Doch sind die geltenden Normen beim Bauen im Bestand überhaupt anwendbar, fragte Moderator Prof. Jan R. Krause von der Hochschule Bochum und übergab das Wort an Inga Soll, Partnerin von Soll Sasse Architekten, die von ihren Erfahrungen bei der Sanierung der Stadthalle Göttingen berichtete. Hier sei es nur durch Einzelfallgenehmigungen gelungen, die 60 Jahre alten Fassadenfliesen in eine vorgehängte hinterlüftete Fassadenkonstruktion zu überführen und die Identität des Bauwerks zu erhalten. Dies sei möglich gewesen, weil alle Beteiligten von der guten Idee überzeugt gewesen seien und gemeinsam Verantwortung übernommen hätten.
In der anschließenden Diskussion forderten Stimmen aus dem Publikum, die Industrie aus den Gremien zur Festlegung der Normen auszuschließen: Es komme ansonsten zu unrechtmäßigen Absprachen, die einseitigen Interessen dienten.
FVHF-Vorstandsvorsitzender Andreas Reinhardt konterte, dass nicht die Industrie für die große Anzahl an Normen verantwortlich sei. Sie benötige zwar in gewissem Umfang aus Haftungsgründen Normen, dafür seien aber auch wenige, sinnvolle Normen ausreichend. Er wies darauf hin, dass Unternehmen für die Umsetzung der Normen bezahlen, etwa durch den Erwerb von Zulassungen oder die Änderung von Prozessen. Reinhardt nannte etwa Forschungsinstitute als Treiber der Normen. In den Gremien suche man nur den für alle Beteiligten kleinsten gemeinsamen Nenner.
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