Aus eins mach zwei: Das Potenzial von Einfamilienhausgebieten

Unter dem Motto „Aus eins mach zwei“ kann aus einem Eigenheim mit Platzüberschuss ein Zuhause für mehrere Parteien werden. Auch beim Wohnen ist die Umbaukultur ein wichtiges Mittel. Warum der Umbau von Einfamilienhäusern auf vielen Ebenen wirkt, wo wir in Deutschland stehen und welche Herausforderungen uns noch hindern an einer flächendeckenden Umsetzung – darüber hat die Bundesstiftung Baukultur mit PD Dr. Anja Reichert-Schick von der Wüstenrotstiftung gesprochen.
 

Seit wann beschäftigen Sie sich in der Wüstenrot Stiftung mit den Einfamilienhäusern?

Die Wüstenrot Stiftung ist seit etwa 15 Jahren im Bereich der Einfamilienhäuser aktiv und erforscht die Herausforderungen und Chancen dieses Gebäudetyps. Ausgangspunkt unserer Forschungen war die Frage, wie Einfamilienhäuser an neue Bedürfnisse angepasst werden können, da viele von ihnen den Anforderungen der Bewohnerschaft nicht mehr gerecht werden und auch baulich sowie ökologisch kaum noch den aktuellen Standards entsprechen. In Zusammenarbeit mit der Hochschule für Technik Stuttgart und anderen renommierten Instituten haben wir drei Forschungsprojekte initiiert, die die Anpassungsfähigkeit und Transformationsmöglichkeiten von Einfamilienhäusern untersuchen. Aktuell widmen wir uns im Projekt „Leben vor der Stadt“ der Frage, wie das Einfamilienhaus neu gedacht und nachhaltig gelebt werden kann.

Welche Rolle spielt das Einfamilienhaus bei der Frage nach fehlendem Wohnraum? Wo sehen Sie das Potenzial im großen Bestand der Einfamilienhäuser in Deutschland?

Das Einfamilienhaus birgt als häufigster Gebäudetyp in Deutschland ein enormes Potenzial für die Lösung der Wohnraumfrage. Paradoxerweise leben heute oft nur ein oder zwei Personen in Häusern, die für ganze Familien konzipiert wurden. Diese Diskrepanz zwischen verfügbarem und genutztem Wohnraum eröffnet spannende Möglichkeiten: Durch kreative Umnutzung und durchdachte Umbauten könnte nicht nur mehr Wohnraum entstehen, sondern auch neue Formen des Zusammenlebens gefördert werden. Ob Mehrgenerationenwohnen oder innovative Wohngemeinschaften – der Gebäudetyp bietet die Chance, monotone Siedlungen in lebendige, ressourcenschonende Quartiere zu verwandeln.

Welche Erfahrungen haben Sie bei dem Gestaltungspreis gemacht, der sich dem Einfamilienhaus gewidmet hat? Warum gibt es bisher so wenige gute Beispiele an umgebauten Einfamilienhäusern?

Mit dem Gestaltungspreis „Das zukunftsfähige Einfamilienhaus?“ haben wir 2022 Konzepte ausgezeichnet, die von suffizientem Bauen über zirkuläre Materiallösungen bis hin zu neuen Wohnformen reichen. Die eingereichten Projekte zeigten, welche Möglichkeiten es gibt, um Einfamilienhäuser für die Zukunft fit zu machen. Gleichzeitig wurde deutlich, dass rechtliche Hürden, hohe Kosten und emotionale Bindungen der Eigentümer oft die Transformation bremsen. Die Weiterentwicklung von Einfamilienhausgebieten ist eine Daueraufgabe, die weder seitens der Bewohnerschaft noch seitens der Kommune allein zu bewältigen ist.

Was wäre Ihrer Meinung nach zu tun, um einen sinnvollen Umbau von Einfamilienhäusern in großem Stil in Gang zu bringen?

Um eine großflächige Transformation des Einfamilienhausbestands anzustoßen, braucht es ein durchdachtes Gesamtkonzept. Attraktive Förderprogramme für energetische und altersgerechte Umbauten könnten dabei als Katalysator wirken und - flankiert durch niederschwellige Beratungsleistungen - wichtige erste Impulse setzen. Wegweisend wären zudem inspirierende Musterprojekte, die das Potenzial solcher Umbauten greifbar machen. Eine breit angelegte Informationskampagne könnte zusätzlich die gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und ökologischen Vorteile vermitteln. Nicht zuletzt ließen sich durch standardisierte Lösungen für typische Hausformen Planung vereinfachen und Kosten senken. Der Schlüssel zum Erfolg liegt in der intelligenten Kombination dieser Maßnahmen – mit dem Ziel, unsere Wohngebiete zukunftsfähig zu gestalten und einen wichtigen Beitrag zur nachhaltigen Stadtentwicklung zu leisten.

Wir danken für das Interview!

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