Radschnellwege, intelligente Energieversorgung für den Busverkehr und attraktive Bahnhöfe: Vielerorts setzen engagierte Menschen die Verkehrswende mit guten Ideen und viel Engagement bereits um. Die Allianz pro Schiene hat am 4. November in Berlin vier Projekte und Initiativen mit dem Deutschen Verkehrswendepreis ausgezeichnet und einen Sonderpreis Baukultur vergeben. Die Bundesstiftung Baukultur hatte die Ehre, in der Jury bei der Vergabe der Preise mitzuwirken.
Verkehr und Verkehrswende benötigen Infrastruktur, und Infrastruktur ist gebaute Umwelt – und damit auch Thema der Baukultur. Denn die (fehlende) Gestaltung von Verkehrswegen, -bauten und technischen Einrichtungen wirkt sich auf ihr Umfeld aus und beeinflusst unser aller Lebensqualität.
Der Deutsche Verkehrswendepreis zeigt: Bei der Verkehrswende geht es nicht nur um technische Aspekte, sondern auch um die Gestaltung von Infrastruktur. Es geht darum, Menschen nicht nur durch das bessere Argument, sondern vor allem emotional durch eine angenehme und klug gestaltete Umgebung etwa zum Bahn- oder Fahrradfahren zu bewegen. Dafür braucht es, das machten alle Preisträgerinnen und Preisträger auf der Bühne deutlich, einen interdisziplinären Ansatz in der Planung und Umsetzung und engagierte Personen mit langem Atem.
Kompetenzstelle Bahnhof beim Verkehrsverbund Berlin-Brandenburg (VBB)
Bahnhöfe gehören zum Alltag vieler Menschen. Bahnhöfe sind Willkommens- und Abschiedsorte gleichermaßen und haben das Potenzial, als Aushängeschild einer ganzen Stadt oder Region Wirkung zu entfalten – im Positiven wie im Negativen. Bahnhöfe und ihre Umgebung sollten daher eine besondere baukulturelle Aufmerksamkeit erfahren, zumal die Deutsche Bahn nach der Jahrtausendwende 80 Prozent ihrer Empfangsgebäude an eine Vielzahl neuer Eigentümerinnen und Eigentümer veräußert hat.
Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der bundesweit einmaligen Kompetenzstelle des VBB helfen privaten und kommunalen Eigentümern von Bahnhöfen dabei, die Gebäude zu sanieren und sie mit Leben zu füllen. Ziel ist es, gemeinsam neue Nutzungskonzepte zu schaffen, die Bahnhöfe beleben und dadurch die Lebensqualität ihrer Umgebung deutlich steigern. Durch die Vermittlung von Kontakten zu Eigentümern, Planungsbüros und Fördermöglichkeiten werden Hürden abgebaut und Menschen vor Ort dazu ermutigt, sich für ihren Bahnhof einzusetzen. Bad Belzig, Beelitz, Ludwigsfelde und Velten sind nur einige der zahlreichen Beispiele, bei denen die Wiederbelebung gelungen ist. Die Jury des Deutschen Verkehrswendepreises sieht in der Kompetenzstelle Bahnhof beim VBB ein Vorbild für alle Bundesländer.
Sonderpreis Baukultur: Kleine grüne Bahnhöfe
Kleinen Bahnstationen im ländlichen Raum fehlt es häufig an einem (einladenden) Bahnhofsgebäude. Dabei macht es den ÖPNV viel attraktiver, wenn Reisende einen ansprechenden Warteraum haben und sich mit Getränken oder Snacks versorgen können. Die Deutsche Bahn hat daher ein Konzept entwickelt, wie man mit überschaubarem Planungsaufwand und machbaren Baukosten solche kleinen grünen Bahnhöfe bauen kann: Die Empfangsgebäude werden in vorgefertigten Holzmodulen errichtet und können individuell an den jeweiligen Standort angepasst werden. Gebaut werden sie zum Beispiel aus regionalem Holz, wie im bayerischen Zorneding. Für den umweltfreundlichen Betrieb der kleinen Gebäude kommen Photovoltaik-Anlagen und Wärmepumpen zum Einsatz, sodass CO2-Emissionen deutlich reduziert werden können. In den nächsten Jahrzehnten sollen weitere kleine grüne Bahnhöfe entstehen. Die Jury sieht darin einen innovativen und nachhaltigen Ansatz, den Zugang zum ÖPNV attraktiver zu machen und mehr Aufenthaltsqualität zu schaffen.
Niedersachsen: Leuchtturmtrasse Wunstorf
Bleibt die Frage nach dem Zubringer zur Schiene: Wenn dies im Sinne der Verkehrswende das Fahrrad sein soll, braucht es vernünftige Radwege. Mit der Leuchtturmtrasse entwickelte die Kommune Wunstorf nahe Hannover für ihre eigenen Bürgerinnen und Bürger sowie die der umliegenden Gemeinden einen Anreiz, um künftig mit dem Rad statt mit dem Auto zum dortigen S- und Regionalbahnhof zu kommen – einen komfortablen Radweg, der Steinhude und Luthe mit Wunstorf verbindet. Auf der Radvorrangroute können Pendlerinnen und Pendler künftig mit 20-25 km/h zum Bahnhof Wunstorf fahren. Die Radverbindung wurde extra so angelegt, dass sie etwa 80 Prozent der Bevölkerung praktisch direkt vor ihrer Haustür abholt und dazu einlädt, sich aufs Rad zu schwingen. Die Radtrasse befindet sich noch im Bau. Zu ihr gehören auch Abstellplätze, Lademöglichkeiten für E-Bikes, Schließfächer sowie Reparatur-Stationen. Die Jury sieht in der Leuchtturmtrasse Wunstorf ein nachahmenswertes Beispiel, wie man das Verlagerungspotenzial im ländlichen Raum erschließen kann.
Eine weitere Auszeichnung erhielt das Gleichstromunterwerk GUW+, ein intelligentes Umspannwerk, das die Energieversorgung von Stadt- und Straßenbahnen mit Ladestationen von elektrischen Bussen verknüpft und besonders sparsam mit Energie haushaltet. Außerdem wurde die On-Demand-Plattform Baden-Württemberg „bwrider“ ausgezeichnet, die mit nur einer App die Buchung von Linienverkehrsbussen, ÖPNV-Taxis oder Rufbussen verbundübergreifend ermöglicht und damit als Vorbild für andere Regionen dienen kann.