Baukultur Herbstreise: Niederwerrn und Pößneck

Mit Blick auf den kommenden Baukulturbericht "Gestalten" hat sich ein Team der Bundesstiftung auf eine kurze Herbstreise begeben. Ziel der Tour vom 8. bis 10. Oktober 2025 war zunächst das unterfränkische Niederwerrn, hier kooperierte die Bundesstiftung beim 28. Rooftop Talk des Dachkultur e.V. mit Vortrag von Reiner Nagel. Danach stand Pößneck im Saale-Orla-Kreis (Thüringen) auf dem Plan. Beide Gemeinden haben es in den vergangenen Jahren verstanden, kluge, zukunftsgerichtete Bodenpolitik als Instrument der aktiven Ortsgestaltung und Gemeinwohlorientierung einzusetzen. 

Niederwerrn macht vor, wie eine Kommune mit Durchhaltevermögen, großem persönlichem Engagement der Bürgermeisterin und klarer Strategie ihren Boden als Gemeingut behandelt – und damit soziale, ökologische und städtebauliche Ziele vereint. Zwischen altem Ortskern und Siedlung der knapp 10.000 Einwohnerinnen und Einwohner zählenden Kommune ist ein Ensemble aus Bürgerhaus, Café, Museum und „Energiescheune“ entstanden, verbunden durch neue Plätze und Wege. Als neuer Knotenpunkt des Alltags und in nächster Nähe zu Bibliothek, Schule und Wohnen vereint die neue Mitte Begegnung und Kultur. 

Maßgeblich hierbei war nicht zuerst die Architektur, sondern das kommunale Handeln am Grundstück: Niederwerrn widmete sich jahrelang dem gezielten Erwerb von Flächen, tauschte Grundstücke und ordnete sie neu. Erst als die Parzellen ein Ganzes ergaben, konnte die Ortsmitte mit Hilfe der Städtebauförderung gebaut werden. Die vorbildliche Bodenpolitik aus strategischem Zwischenerwerb, Innen- statt Außenentwicklung, Reaktivierung von Leerstand und Brachflächen verknüpfte die Gemeinde mit baukultureller Qualität und zirkulärem Bauen: Für den Neubau wurde Recycling-Beton aus einer nahegelegenen, abgebrochenen Talbrücke verwendet und in enger Zusammenarbeit mit dem lokalen Handwerk gestaltet.

Einen ähnlichen Ansatz verfolgt Pößneck, eine Kommune mit knapp 12.000 Einwohnerinnen und Einwohnern. Im Rahmen des Integrierten Stadtentwicklungskonzepts (ISEK) setzt die Stadt auf Sanierungs- und Fördergebiete, die die Wieder- und Zwischennutzung von Brachflächen, die Sanierung leerstehender Gebäude und die städtebauliche Neuordnung stützen. Die Stadt nutzt etwa gezielt ihr Vorkaufsrecht, um Leerstandsimmobilien in der Altstadt zu sichern, baulich zu stabilisieren und anschließend an Investoren oder städtische Wohnungsunternehmen zur weiteren Entwicklung und Vermarktung zu übergeben. Dabei werden klare Fristenauflagen an Investoren formuliert, um Vermarktung und Folgeinvestitionen zu erleichtern – gerade bei altstädtischen, teils fachwerkbasierten Häusern.

Beide Orte zeigen, was eine moderne, gemeinwohlorientierte Bodenpolitik leisten kann: Sie macht Kommunen handlungsfähig in der Fläche, schützt vor spekulativen Pfadabhängigkeiten, macht Fördermittel wirksam und ermöglicht, wenn sie mit Gestaltungsanspruch einhergeht, baukulturelle Identitätsorte. So wird kommunaler Boden zur Ressource für Klimaanpassung, kurze Wege, bezahlbares und gemischtes Wohnen – und zur Grundlage von lebendigen Ortszentren.

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