Nachbericht zum Baukulturdialog Bernau "Wie gelingt Denkmalvermittlung in der Praxis?"

© Kristin Baumert

In Kooperation mit dem Deutschen Nationalkomitee für Denkmalschutz (DNK) fand am 1. Juni 2022 der Baukulturdialog „Denkmalvermittlung in der Praxis“ im Besucherzentrum Bernau des UNESCO-Welterbes Bauhaus statt. Aus einer Vielzahl an Perspektiven, von institutionellen Rahmenbedingungen bis zu praxisnahen Projekten, wurde das Thema der Denkmalvermittlung beleuchtet. Am Vormittag organisierte das DNK ein Angebot für Schülerinnen und Schüler, bei dem sie das Welterbe auf spielerische Weise, z.B. durch Erstellen eines Comics, kennenlernen konnten. Dadurch wurde ihnen vermittelt, welche Bedeutung und Nutzen Denkmalpflege hat. Durch den Vormittag sowie auch den anschließenden Dialog führte als Moderatorin Katharina Stahlhoven, Projektleiterin Bildung bei der Bundesstiftung Baukultur.

Einen passenden Kontext für die Veranstaltung bot der Ort: Die Bundesschule Bernau des Allgemeinen Deutschen Gewerkschaftsbundes (ADGB) wurde zwischen 1928 und 1930 nach Plänen des zweiten Bauhausdirektors Hannes Meyer und seines Partners Hans Wittwer unter der Mitwirkung von Studierenden gebaut. Als zweites Schulgebäude des Dessauer Bauhauses erklärte die UNESCO das Ensemble 2017 zum Weltkulturerbe. Nach einer Begrüßung durch Dr. Anja Guttenberger, Leiterin des Besucherzentrum Bernau des UNESCO-Welterbe Bauhaus, und Reiner Nagel, Vorstandsvorsitzender Bundesstiftung Baukultur (BSBK), vor dem Baukulturmobil der Bundesstiftung erhielten die Teilnehmenden während einer anregenden Führung durch das Bauhaus-Ensemble einen Einblick in dessen Architektur und die Resultate der denkmalgerechten Sanierung durch Brenne-Architekten, die von 2002 bis 2007 erfolgt war. Auch das von Steimle Architekten entworfene und im Februar 2022 eröffnete Besucherzentrum überzeugt mit seiner architektonischen Qualität.

Den Auftakt zum Dialog bildete ein Vortrag von Dr. Ulrike Wendland, Leiterin der Geschäftsstelle des DNK, zur „Aufgabe der Denkmalvermittlung“. Sie betonte, dass die Denkmalpflege bereits seit dem 19. Jahrhundert eine Bildungsaufgabe sei, die sich über „Tat und Wort“, also sowohl über den Erhalt als auch über die Vermittlung des Denkmals definiere. Seitdem habe sich die Denkmalvermittlung professionalisiert, digitalisiert und diversifiziert: „Die Teilhabe aller Mitglieder einer Gesellschaft an ihrem kulturellen Erbe ist das Leitbild denkmalpflegerischen und kulturellen Handelns“. Reiner Nagel stellte die Baukulturvermittlung aus Sicht der Bundesstiftung Baukultur vor. Der Auftrag der BSBK sei es, baukulturelles Wissen zu vermitteln, um qualitätsvollem und nachhaltigem Planen und Bauen eine größere gesellschaftliche Bedeutung einzuräumen. Klimawandel und Ressourcenengpässe erzeugen hier einen dringenden Handlungsbedarf. Hierzu gäbe es jedoch konkrete Aufgaben, die es in Angriff zu nehmen gilt: „Baukulturelle Bildung muss strategischer und von allen Involvierten getragen werden. Wir müssen bereits bei jungen Menschen anfangen, ihre Sprachfähigkeit für die Baukultur zu fördern. Dieses Ziel haben wir im Mai 2022 in der Potsdamer Resolution zur baukulturellen Bildung beim Konvent der Baukultur vereinbart.“

Den beiden Vorträgen folgten Impulse aus der Praxis. Friedemann Seeger, Vorsitzender des Vereins baudenkmal bundesschule bernau e.V., sprach über den Einsatz des Vereins für deren Erhalt, Sanierung und erneute Nutzung sowie die Geschichte der Bundesschule – vom Verfall des Gebäudes in der DDR, wechselnder Eigentümerschaft bis zur Einrichtung von Räumlichkeiten zur Denkmalvermittlung und der Eintragung als Weltkulturerbe. Richard Hingst, Schüler am Oberstufenzentrum Barnim, stellte den Teilnehmenden eine in einem Schulprojekt entwickelte App vor, die die Besuchenden über das Gelände des Bauhaus-Welterbes führt. Dabei bietet sie an ausgewählten Orten Interaktionsmöglichkeiten und soll in Zukunft auch bereits abgerissene Gebäude im AR-Modus in der App zeigen. Die App steht auch Nicht-Besuchenden für einen Einblick in das Ensemble zur Verfügung. Simone Kopp, Leiterin des Oberstufenzentrums, berichtete von der Motivation der Schule, sich als UNESCO-Projektschule zu bewerben. Grundlage sei die Identifikation mit den Werten der UNESCO, die durch individualisierte Lernangebot in der Schule weitergegeben werden sollen. Mascha Kleinschmidt-Bräutigam präsentierte das Projekt „Die Stadtentdecker“ der Brandenburgischen Architektenkammer. Das Projekt soll Schülerinnen und Schüler anleiten, ihren Lebensort selbstbestimmt aus einer baukulturellen Perspektive neu zu entdecken. Diese Entdeckung beginnt mit einem Stadtspaziergang, der von einem Architekten oder einer Architektin begleitet wird. Die Ergebnisse der Projekte, die von einem Theaterstück bis zur Umgestaltung eines Stadtgartens reichen können, werden zum Abschluss öffentlich präsentiert. Seit 2013 gab es bereits 74 Projekte in Zusammenarbeit mit 42 Schulen in Brandenburg.

Carolin Kolhoff, Leiterin des Fachbereichs Welterbe bei der deutschen UNESCO-Kommission, spannte den Bogen zurück zu den Rahmenbedingungen der Denkmalvermittlung. Dem Welterbegedanken folgend verfügen über von der UNESCO als Welterbestätten anerkannte Denkmäler über eine weltweit einzigartige Bedeutung und müssen deshalb geschützt, vermittelt und für künftige Generationen bewahrt werden. Schutz, Erhalt, Vermittlung und Weitergabe sind dabei von gleichwertiger Bedeutung.

Unter der Frage „Wie gelingt Denkmalvermittlung in der Praxis?“ wurden die Inhalte der Vorträge in einem abschließenden Gespräch mit allen Teilnehmenden diskutiert. Einigkeit herrschte darüber, dass Denkmalvermittlung auf einem soliden Fundament von Werten und Akteuren, visualisiert als Wurzeln eines Baumes, aufbauen muss. Die Werte können sich in einem breiten Spektrum an Projekten mit unterschiedlichen Konzepten und Herangehensweisen wiederspiegeln. Eines ist ihnen jedoch allen gemein: Denkmalvermittlung beinhaltet neben einem institutionellen Rahmen immer auch einen individualisierten, persönlichen und auch emotionalen Zugang zum Denkmal.

 

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