Ursprünglich glichen die historisch ersten Bahnhöfe modernen Stadteingängen und sollten Ankommende für den Ort einnehmen. Doch die architektonische Willkommenskultur wird seit Jahrzehnten kaum noch gepflegt. Zwischen 1999 und 2019 trennte sich die Deutsche Bahn von 2.250 sanierungsbedürftigen und aus betrieblicher Sicht unrentablen Empfangsgebäuden. Einige davon blieben danach jahrelang verschlossen und verwahrlosten. Das es auch anders gehen kann, zeigen verschiedene gute Beispiele, vor allem auf lokaler Ebene.
Durch privates Engagement sind vielerorts neue öffentliche Räume mit hoher Aufenthaltsqualität entstanden. Der genossenschaftlich organisierte Bürgerbahnhof Cuxhaven ist einer diese Projekte. Als der verschlossene und inzwischen verwahrloste Bahnhof einem Fachmarktzentrum weichen sollte, gründete die Bürger und Bürgerinnen aus Cuxhaven eine Genossenschaft, um den 1898 eröffneten Stadtbahnhof zu retten und wieder Instand zu setzen. Heute empfängt ein einladender Begegnungsort die Reisenden. Er wird von der Genossenschaft eigenverantwortlich betrieben, während die Bahn jetzt Mieterin ist.
In Rottenbach ist direkt im Bahnhof ein Hofladen entstanden, der ebenfalls genossenschaftlich organsiert ist. Hier wurde durch den Umbau des bisherigen Gebäudes die Nahversorgung sichergestellt. Der leerstehende Bahnhof wurde im Rahmen der Internationalen Bauausstellung (IBA) Thüringen als „Tor ins Schwarzatal“ denkmalgerecht saniert. Seit Juli 2019 befindet sich hier der BahnHofladen, der Produkte von Erzeugerinnen und Erzeugern aus der Region anbietet. Er leistet somit einen wichtigen Beitrag zur Versorgung im ländlichen Raum.
In Kassel wurde der ehemalige Stadtbahnhof zu einem KulturBahnhof weiterentwickelt. Er bietet heute Raum für Ausstellungen, Kino, Konzerte, Kulturbetriebe und ein Museum. Das Baukulturmobil machte während der Sommerreise schon mehrfach Halt, um Fragen der Stadtentwicklung oder auch der Transformation der Infrastrukturen gemeinsam mit den Baukultur-Engagierten vor Ort zu diskutieren.
Seit 2018 gibt es mit der Kompetenzstelle Bahnhof beim VBB in Brandenburg eine zentrale Anlaufstelle für private und kommunale Eigentümern von Bahnhöfen, die die Gebäude wieder Instand setzen und betreiben wollen. Die Kompetenzstelle unterstützt und berät in verschiedener Hinsicht, angefangen bei der Kommunikation der Beteiligten, über Fördermöglichkeiten, bis hin zur Beratung bei baurechtlichen Fragestellungen und der Umsetzung. In den letzten Jahren sind so die Bahnhöfe in Fürstenberg, in Chorin, Beelitz oder auch Bad Belzig neu belebt worden. Die Initiative wurde diese Woche mit dem Verkehrswendepreis 2024 der Allianz pro Schiene ausgezeichnet.
Und auch die Bahn nimmt sich in den letzten Jahren wieder verstärkt ihrer Bahnhöfe an. Während einer Pilotierungsphase in den Jahren 2019/2020 entstanden für 16 Bahnhöfe innovative Konzepte rund um Mobilität, Information, Gestaltung und Energieversorgung. „Auch wenn sie alle ihren ganz eigenen, regionalen Charakter haben, so haben die Zukunftsbahnhöfe eines gemein: die hohe Aufenthaltsqualität für die Reisenden“, so ist es auf der Seite der DBInfraGO zu lesen: https://www.dbinfrago.com/web/unternehmen/zielbild-infrastruktur/zukunftsbahnhof. Das Konzept der Zukunftsbahnhöfe wird nun fortgesetzt und Bahnsteig/Verkehrsstation, Empfangsgebäude sowie Vorplatz wieder integriert zusammengedacht und damit öffentliche Räume mit wertigem Aufenthaltscharakter geschaffen.
Bahnhöfe sind heute unsere öffentlichsten Gebäude, deren Bedeutung nicht hoch genug geschätzt werden kann. Vielerorts sind sie allerdings zum Ausdruck einer notleidenden Infrastruktur und beschädigter lokaler Identitäten geworden. Anlass genug um am Tag der Umbaukultur, am 8. November dieses Thema aufzurufen und zu diskutieren.