Burg

Baukultur verändert Blickwinkel

© Andreas Meichsner
© Andreas Meichsner
© Andreas Meichsner

Während die Bundesgartenschau 2019 in Heilbronn den Auftakt zu weiterem Stadtwachstum legte, diente die Landesgartenschau (Laga) 2018 in Burg bei Magdeburg eher zur Konsolidierung einer bislang schrumpfenden Kleinstadt. Burg, das sowohl über eine gut erhaltene historische Altstadt als auch über eine sichtbare Industriegeschichte verfügt, hat seit der Wende etwa ein Drittel seiner Einwohner verloren. Mit der Bewerbung für die Laga wurde 2011 diese Entwicklung akzeptiert und ein Paradigmenwechsel eingeleitet. Man formulierte die Erkenntnis, „dass die Zukunft der Städte in der Mehrzahl nicht mehr wachstumsgesteuert sein wird. (...) Es ist die Frage zu beantworten, wie qualitative Entwicklung ohne Wachstum möglich ist.“ Die demografische Entwicklung ländlicher Räume wird durch den aktuellen Erfolg des Online-Shoppings noch verstärkt, sodass insbesondere Kleinstädte auch noch ihre Bedeutung als Handelsstandorte verlieren. Andere Attraktionen müssen her: zum Beispiel die Innenstadt als Ort für Freizeit und Erholung.

In Burg besann man sich nach dem siegreichen Wettbewerbskonzept aus dem Jahr 2013 von relais Landschaftsarchitekten aus Berlin zunächst auf die zwei bestehenden Stadtparks. Westlich des Zentrums wurde als Entree der Stadt (und der Laga) der Bahnhofsvorplatz erneuert und der angrenzende denkmalgeschützte Goethepark revitalisiert. Verloren gegangene Elemente und Strukturen interpretierten die Planer neu und setzte der Stadt anstelle eines baulichen ein grünes Rückgrat ein: durch Pflanzungen oder durch einen Pavillon an einem früheren Denkmalstandort. Auf dem benachbarten ehemaligen Bauhof wurde ein Spielwäldchen für alle Generationen angelegt und man setzte einen Soldatenfriedhof instand.

Am östlichen Rand der Altstadt bildet der ebenfalls historische Flickschupark den Gegenpol. Als „Tor in die Landschaft“ steht hier das Wasser im Mittelpunkt. Den Teich machte man mit flachen Natursteintreppen an einer Seite zugänglich, die anderen Ufer ließ man als Schilfzonen bewusst landschaftlich.

In den Wiesenräumen des Parks entstand ein sechs Meter hoher Aussichts- und Spielhügel. Als Verbindung zwischen Goethe- und Flickschupark legte man durch die Altstadt hindurch einen Grünzug entlang des Flusses Ihle. Dabei wurde ein historischer Weinberg rekonstruiert und zum Stadtbalkon ausgebaut. Obstbäume und andere Nutzpflanzen bringen hier die Themen „Essbare Stadt“ und „Urban Gardening“ in ein kleinstädtisches Umfeld. Die geöffneten historischen Weinkeller und ein Wasserturm (mit einer Ausstellung zur Stadtgeschichte) sind der Stadt auch nach der Gartenschau als Veranstaltungsorte geblieben. Die Brache der Maschinenfabrik Samuel Aston wurde rund um den stehen gebliebenen Schornstein durch bepflanzte Schotterflächen und einen thematischen Spielplatz in ihrem industriellen Charakter betont. Auch die angrenzenden Ihlegärten entstanden durch Konversion einer langjährigen Brache. Ihre kleinteilige, urbane Struktur erinnert an die Parzellierung der hier einst abgerissenen Wohnhäuser. Das Museum Historische Gerberei wurde integriert.

Mit diesen unterschiedlichen Szenarien – historischer Stadtpark, Garten- und Weinbautradition, Industriekultur, kleinstädtische Gartenkabinette, offene Landschaft – ergeben sich bislang verborgene „Stadtimages“ im wörtlichen Sinne. Die Integration von Bauwerken machten für die Gäste der Laga die Vielschichtigkeit der Stadt erlebbar – auch außerhalb der eintrittspflichtigen Bereiche (Goethepark, Weinberg, Flickschupark), denn der Promenadenring um die Altstadt, die zentrale Schartauer Straße, aber auch Baulücken und Hinterhöfe waren bewusst in die Erneuerungsmaßnahmen aufgenommen worden. Beste Voraussetzungen also für nachhaltige Impulse: für die Stadtentwicklung, für den Tourismus, aber auch für die Bewohner Burgs, die ihre Stadt dank ihres konstruktiven Umgangs mit der Schrumpfung anders erleben und vor allem nutzen können.

Planungszeitraum 2013-2018
Architekt / Planer

relais Landschaftsarchitekten Heck Mommsen PartGmbB, Berlin

Größe / Fläche 13,9 ha
Baukosten brutto 15,47 Mio. Euro
Nutzungen Freiraum
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