Glaskathedrale in Amberg

Baukultur schafft starke Orte

Außenansicht Glaskathedrale © Andreas Meichsner
Innenansicht Halle mit Mischeinheiten, Schmelzöfen und Kühleinheiten © Andreas Meichsner
Produktionsstraße © Andreas Meichsner
Hofansicht © Andreas Meichsner

Auftraggeber der Fabrik war der Unternehmer Philip Rosenthal, der bereits das Werk seiner Firma in Selb von Gropius hatte entwerfen lassen. Beide Männer verband der Wunsch nach menschenfreundlichen Arbeitsbedingungen. Für die Glasfabrik der Rosenthal-Tochter Thomas-Glas hieß das: mehr Tageslicht und weniger Hitze. Gropius und sein Mitarbeiter Alexander Cvijanovic entwarfen eine etwa hundert Meter lange Giebelhalle, die über das Dach und von den Seiten natürlich belichtet wird. Die Eröffnung der Fabrik im Jahr 1970 erlebte Gropius nicht mehr.

Zur Zeit ihrer Fertigstellung wurde die Glasfabrik als Meilenstein des Industriebaus gefeiert. In der Architektenschaft ist sie dennoch weitgehend unbekannt geblieben. Für viele Amberger ist das Werk aktueller oder ehemaliger Arbeitsplatz, doch als identitätsstiftendes Wahrzeichen wird es trotz Denkmalschutz bisher kaum wahrgenommen. Jedoch hat die Stadtverwaltung das Potenzial der Glaskathedrale, sicherlich auch mit Blick auf Gropius’ Unesco-geschütztes Fagus-Werk in Alfeld, erkannt – gerade im Vorfeld der Jahre 2019 (100 Jahre Bauhaus, Gropius’ 50. Todestag) und 2020 (50 Jahre Glaskathedrale).


Nicht aus den Augen sollte man jedoch verlieren, dass der Bau explizit als Produktionsstätte geplant wurde und glücklicherweise noch als solche genutzt wird. Kein alternatives Nutzungskonzept und schon gar kein Leerstand könnte erfolgversprechender sein und den baulichen Unterhalt besser gewährleisten, als der laufende Betrieb. Das muss einer durchdachten und gezielten Kommunikationsarbeit mit dem Bauwerk aber nicht widersprechen, solange diese die Belange der Produktion berücksichtigt und die Nutzer einbindet. Denkbar wäre eine schonende touristische Vermarktung an kultur-, architektur- oder auch technikinteressierte Kreise, womöglich mit einer Ausstellung vor Ort und Werksführungen im kleinen Rahmen.
Gelingt der Spagat zwischen dem Erhalt des Denkmals und dem Erhalt der Produktion, kann die Glaskathedrale wichtige Signale setzen: dafür, dass Denkmale Teil des Alltagslebens sind; dafür dass auch jüngere Industriearchitektur erhaltenswert ist; und nicht zuletzt dafür, dass der Industriebau einst eine wichtige Gestaltungsaufgabe für Architekten war und es unbedingt wieder sein sollte.

Fertigstellung 1970
Planungszeitraum 1967–1970
Auftraggeber Rosenthal AG, Selb
Planungsbeteiligte The Architects Collaborative (TAC), Boston: Walter Gropius, Alexander Cvijanovic
Größe / Fläche 11.500 qm
Nutzungen Arbeiten
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