Stadtbahntunnel Karlsruhe
Baukultur erreicht den Untergrund
Die Stadtbahn in Karlsruhe ist seit Langem in der Innenstadt als Straßenbahn und im Regionalverkehr als Schnellbahn unterwegs. Die Verknüpfung der beiden schienengebundenen Systeme ließ ein 720 Kilometer großes Netz von Verbindungen zwischen Umland und Stadtzentrum entstehen. Fahrgäste aus der Region kommen, ohne umsteigen zu müssen, direkt zur Arbeit, ins Konzert, ins Theater oder zum Einkaufen in die Innenstadt. Jährlich nutzen allein im Stadtverkehr knapp 114 Millionen Fahrgäste die Bahnen. Schon Ende der 1990erJahre war die Kapazitätsgrenze erreicht. Eng wurde es besonders in der Fußgängerzone: Auf der Kaiserstraße verkehrten bis zu acht Linien. In den Hauptverkehrszeiten folgte eine Bahn der anderen im Minutentakt, und das in beide Richtungen. Das blockierte die Straßen, die vom Schlossrondell strahlenförmig nach Süden führen. Zu Fuß oder mit dem Rad war kaum ein Durchkommen. Unter dem Motto „Unten die Bahnen – oben das Leben“ stellte die Stadt 2002 nach einem Bürgerentscheid die Weichen für einen 2,4 Kilometer langen Stadtbahntunnel unter der Kaiserstraße und einen Südabzweig von einem Kilometer Länge Richtung Hauptbahnhof. Um dem täglichen Autochaos zu entrinnen, die Südstadt besser ans Zentrum anzubinden und eine neue Stadtbahnstrecke einzurichten, beschloss die Stadt außerdem, die bis zu zehnspurige Kriegsstraße durch einen Straßentunnel zu ersetzen, Die Ost-West-Verbindung ist Teil der Südtangente und dient als Zubringer zur A 8. Die Kombilösung brachte erhebliche baulogistische und ingenieurbautechnische Herausforderungen mit sich. Ende 2021 wurde der Stadtbahntunnel eingeweiht; der Straßentunnel folgte im Oktober 2022.
Zurückhaltung und Klarheit sind die Prinzipien, nach denen das Münchner Architekturbüro allmannwappner die Zugänge und die sieben Haltestellen der neuen U-Bahnstrecke gestaltet hat. Die Fußgängerzone wirkt heute völlig aufgeräumt. Alle drei bis vierhundert Meter gibt es am Rand Zugänge zur Bahnebene, die lediglich eine halbhohe Brüstung umgibt. Ein schwebendes gelbes U hilft, den nächsten Zugang zu finden. Die Aufzüge sind gläsern eingehaust. Siebdrucke lassen das Glas milchig erscheinen. Abends kommt eine dezente blaue Beleuchtung hinzu. Treppen und Zwischengeschosse sind zweckmäßig gestaltet: Mit gestockten Betonwänden und Terrazzoböden. In die Decken eingelassene, scheinbar unregelmäßig verteilte Leuchten lassen keine Monotonie in der mittelgrauen Zone aufkommen. Die Wege im Zwischengeschoss (etwa an der Haltestelle Kronenplatz) führen auf Brücken über die Gleise und Bahnsteige. Dort öffnen Panoramafenster den Blick in den U-Bahnhof. Auf dem Bahnsteig angekommen, stehen die Fahrgäste in einem nahezu weißen Raum. Großformatige, grau verfugte Betonwerksteine bestimmen Boden und Wand. Etwa auf halber Raumhöhe schließt eine schallreduzierende Trockenbaukonstruktion an. Ecken gibt es keine. Hohlkehlen bilden die Übergänge zwischen Boden, Wand und Decke. In die Wände sind Sitzgelegenheiten integriert. Die ruhige Klarheit des White Tube wird durch eine Lichtinstallation von Ingo Maurer spielerisch akzentuiert. Inspiriert von den Oberleitungen der Stadtbahn ließ der Designer Stahlseile durch den Raum spannen, an denen auf zwei Ebenen parallel zum Gleisverlauf weiße Leuchten montiert sind. Die Oberleitungen und das weitgespannte Lichtgespinst sicherheitstechnisch zu koordinieren, war nicht einfach. An einigen Stellen gibt es zusätzlich Punktstrahler mit RGB-Leuchten. Sobald Passagiere und Passagierinnen unter einem solchen Strahler stehen, umspielt sie ein rotgrünblauer Lichtkegel. Der Bahnsteig wird zur Bühne – bis eine der gelbroten Bahnen den weißen Raum durchschneidet. Anfängliche Vorbehalte gegen die Untergrundlösung sind allgemeiner Begeisterung über die Stationen gewichen. Ihre großzügigen Räume, die hellen Materialien und das Lichtdesign haben alle Ängste ausgeräumt.
Bauherr | KASIG – Karlsruher SchieneninfrastrukturGesellschaft mbH |
Planung | allmannwappner gmbh, München |
Projektbeteiligte | Landschaftsplanung: Mettler Landschaftsarchitektur, Berlin Ingenieurplanung und technische Gebäudeausrüstung: Obermeyer Planen + Beraten, Karlsruhe; Spiekermann GmbH, Düsseldorf Tragwerksplanung: ZPP Ingenieure AG, Bochum Generalunternehmer/Bauleitung: ZETCON Ingenieure GmbH; KREBS+KIEFER Ingenieure GmbH Lichtplanung: Ingo Maurer, München |
Fertigstellung | 2021 |
Planungszeitraum | 2004–2021 |
Größe / Fläche | 2,4 km Stadtbahntunnel Kaiserstraße; 1 km Südabzweig Ettlinger Straße |
Baukosten | ca. 1,5 Mrd. Euro Gesamtkosten Karlsruher Kombilösung, 60 % Bundesanteil; 20 % Landesanteil; Rest: Karlsruher Schieneninfra strukturGesellschaft mbH / Karlsruher Versor gungs, Verkehrs und Hafen GmbH |
Auszeichnung |
Badischer Architekturpreis 2022; DAM Preis 2023 (Nominierung); UITP Design Award 2023 |