Fahrradparkhaus Eberswalde
Baukultur arbeitet an der Verkehrswende
Die Verkehrswende entscheidet sich an regionalen Bahnhöfen. Die Fahrpläne müssen stimmen, und die Gebäude sollten für alle, die dort warten, abfahren oder ankommen, attraktiver werden. Auch im Umfeld gibt es Angebotsdefizite und Gestaltungsbedarf. Asphalt und Parkplätze bestimmen das Bild. Wer mit dem Rad zum Zug will, muss das Fahrrad irgendwo anketten. Mit etwas Glück gibt es überdachte Stellplätze, die abends beleuchtet sind. Mit noch mehr Glück ist das Fahrrad bei der Rückkehr auch noch fahrbereit. Eberswalde, im Kreis Barnim rund 50 Kilometer nördlich von Berlin gelegen, hat der Verkehrswende direkt am Hauptbahnhof ein außergewöhnlich schönes Fahrradparkhaus gewidmet, das architektonisch und ingenieurbautechnisch anspruchsvoll und funktional durchdacht ist. Wälder und Naturschutzgebiete umgeben die Stadt, in der über 1.200 Studierende die Hochschule für nachhaltige Entwicklung besuchen. Die 1830 gegründete höhere Forstlehranstalt und spätere Forstakademie hat Eberswalde als „Waldstadt“ bekannt gemacht. Schon deshalb beauftragte die Kommune einen Holzbau, der fast ganz ohne Beton auskommt. Der neue Fahrradspeicher zelebriert geradezu die konstruktiven und ästhetischen Qualitäten von naturbelassenem Lärchenholz. Das Architekturbüro Leitplan entwarf zusammen mit dem Ingenieurbüro ifb frohloff staffa kühl ecker auf 680 Quadratmetern Grundfläche einen nach allen Seiten offenen Zweigeschosser. Schräge Holzstützen, die sich auf Höhe der Geschoßdecke und der Randpfette des Dachs kreuzen, tragen das weit auskragende Flachdach. Dessen imposanter Balkenstapelrost und das Rautenfachwerk der Stützen bestimmen die Ansicht. Mächtige Unterzüge, die sich Lage um Lage zum Dachrand vorschieben, waren nötig, um einen ausreichend großen Dachüberstand für den konstruktiven Holzschutz zu gewährleisten. Die unbehandelten Brettschichtholzstützen aus sibirischer Lärche sind auf Betonsockel montiert. Das schützt sie selbst vor Schlagregen. Der drei Meter große Überstand erlaubte es zudem wettergeschützt zu stehen.
Durch das offene Tragwerk kommt Luft und natürliches Licht ins Gebäude. Selbst die Absturzsicherung ist durchlässig: Ein innenliegendes Edelstahlnetz übernimmt diese Aufgabe. Nasse Fahrräder und die Feuchtigkeit, die Reifen und Schuhe ins Haus tragen, können dadurch schnell abtrocknen.
Die wandernde Sonne schafft Licht und Schattenspiele, die denen in lichten Wäldern nicht unähnlich sind. Sein Fahrrad zu finden und das Schloss zu entriegeln, ist zu keiner Tages zeit ein Problem. Bei Dunkelheit sorgen linear ausgerichtete LED-Leuchten für angenehm warmes Licht. Dass das Park haus zu jeder Zeit einsehbar ist, erhöht das Sicherheitsgefühl und beugt Vandalismus vor.
Eine breite Rampe in der Mittelachse des 40 Meter langen Bauwerks und eine Außentreppe mit Schiebespur führen hinauf zur oberen Ebene. Gleich vier ebenerdige Zugänge lassen auch zur Rushhour kein Gedränge aufkommen. Der Fahrradspeicher bietet auf 1.290 Quadratmetern Fläche über 600 Stellplätze für unterschiedlichste Radtypen. Darunter sind auch abschließbare Fahrradboxen, zum Teil mit Ladestation. Im Erdgeschoß sind nahe des Eingangs Stellplätze für Ältere, Eltern-Kind-Vehikel und Lastenräder ausgewiesen. Es gibt zwei Werkzeugstationen mit Druckluft für die Reifen und Flickzeug für kleine Reparaturen. Akkus können in Schließfächern sicher aufgeladen werden. Den Strom für Licht und Service liefert eine Photovoltaikanlage auf dem bienenfreundlich begrünten Dach. Mit der rundum durchdachten Einrichtung hat sich die Stadt Eberswalde als Impulsgeberin für nachhaltige Entwicklung profiliert und wirbt für den Umstieg aufs Fahrrad. Die Allianz pro Schiene hat das 2022 mit dem Deutschen Verkehrswendepreis belohnt.
Rubrik | Infrastruktur Öffentliches Bauen Ländliche Räume |
Bauherrin | Stadt Eberswalde |
Planung | Leitplan GmbH Planungs und Entwicklungsgesellschaft, Berlin |
Projektbeteiligte | Tragwerksplanung: ifb frohloff staffa kühl ecker Beratende Ingenieure PartG mbB, Berlin
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Fertigstellung | 2022 |
Planungszeitraum | 2019-2022 |
Größe / Fläche | 1.330 m2 |
Baukosten | 2,2 Mio. Euro |